Breed: Roman (German Edition)
führt diesen in einen Raum, der seitlich vom Wartezimmer abgeht.
Alex und Leslie tauschen einen Blick. Beide denken dasselbe:
Was zum Teufel hat das zu bedeuten?
Aber sie sind zu weit gereist und haben zu viele Mühen hinter sich, um jetzt noch umzukehren.
Einige Momente später kommt der junge Engländer wieder. »Da hat er sie wohl ein wenig erschreckt. Eigentlich ist er ganz brav, der alte Zeus, aber ich kenne das; als ich ihn das erste Mal gesehen hab, da hab ich mir fast ins Höschen gemacht. Reggie Woodward, stets zu Diensten. Ich bin der Assistent von Dr. Kiš, eine Aufgabe, die ich auch unentgeltlich erledigen würde, für die ich jedoch Gott sei Dank gut bezahlt werde.« Er lächelt, wobei er die schartige Archäologie seiner Zähne entblößt, teils braun, teils – wohl weil sie neu in seinem Mund sind – strahlend weiß. »Wenn Sie nun so freundlich wären, mir zu folgen, damit wir den Papierkram erledigen können. Und entschuldigen Sie bitte den Zustand dieser Räumlichkeiten – schieben Sie es auf die Ordnung des Genies.«
Die Praxis von Dr. Kiš ist ein Labyrinth aus kleinen Untersuchungszimmern. Alex und Leslie folgen Reggie in eines davon, das er in ein Büro verwandelt hat, mit einem Schreibtisch, drei Stühlen und einem sehr seriös aussehenden Aktenschrank, der ein Schloss hat. In der Ecke stehen ein Napf mit Hundefutter und eine Schale Wasser, daneben liegen die Überreste eines riesigen Knochens, an der Wand hängt das Poster irgendeines Fußballspiels im Schnee, mit einer Reihe steifer deutscher Fahnen im Hintergrund.
»Erledigen wir doch erst einmal das Finanzielle«, sagt Reggie. »Ich nehme an, Sie haben das Honorar mitgebracht.«
Alex reicht ihm den Umschlag, und die beiden warten, während Reggie direkt vor ihnen das Geld zählt, jeden einzelnen Schein.
»Das ist mehr Bargeld, als wir legal ins Land bringen durften«, merkt Alex an.
»Ein törichtes Gesetz, nicht wahr? Ich dachte, wir hätten uns auf Euro geeinigt«, sagt Reggie. Als er sieht, wie Leslie erschrickt, fügt er rasch hinzu: »Keine Sorge. Dollar sind schon in Ordnung.«
»Soweit ich sehe, sind wir die einzigen Patienten hier«, sagt Alex zu Reggie.
»Sind Sie hierhergekommen, um Land und Leute kennenzulernen und neue Freundschaften zu schließen?«, fragt er und steckt das Geld wieder in den Umschlag. Als er Alex’ Gesichtsausdruck sieht, zieht er ein anderes Register und sagt, Dr. Kiš würde nur zwei Patienten pro Woche empfangen, weil er die restliche Zeit mit seiner Forschung verbringe. Fruchtbarkeitsspezialisten aus der ganzen Welt kämen nach Slowenien, um sich zu seinen Füßen zu setzen, weil er die höchste Erfolgsquote unter all seinen Fachkollegen habe. Reggie spricht rasch und in einem mechanischen Singsang, wodurch er an einen Reiseführer erinnert, der schon lange das Interesse an der Szenerie verloren hat.
»Und nun eine Minute Wissenschaft«, sagt Reggie. »Sie werden froh sein zu hören, dass die Injektionen von Dr. Kiš allesamt zu hundert Prozent organisch sind.«
»Ich weiß nicht recht, wie Sie die Worte
froh
und
Injektion
im selben Satz verwenden können«, sagt Leslie. Obgleich ihr kleiner Scherz das Herz von Alex mit Liebe erfüllt, wünscht er sich dennoch, sie würde den Mund halten und den Dingen ihren Lauf lassen.
»Selbstverständlich würde ich meinen Job verlieren, wenn ich Ihnen sagen würde, welches Material Dr. Kiš genau verwendet, aber er möchte Sie wissen lassen, dass er großen Erfolg – sehr, sehr großen Erfolg – damit hat, Gewebe von einigen der kraftvollsten und fruchtbarsten Wesen auf der Welt einzusetzen.«
»Wesen?«, fragt Alex.
»Ja«, sagt Reggie. »Lebewesen.«
»Von welcher Sorte
Wesen
ist da die Rede?«
»Worauf es ankommt, ist das Resultat«, sagt Reggie. »Löwen, Tiger, Bären – ist das wirklich von Interesse für Sie?«
»Ja, natürlich ist es das«, sagt Leslie. »Alex?« Alle Erschöpfung, die sie verspürt hat, ist verschwunden. Ihre Augen weiten sich vor Entsetzen.
»Ich sollte Ihnen noch etwas mitteilen«, sagt Reggie und räuspert sich. »Oft verwendet er eine winzige Menge – eigentlich nur eine Spur, unentdeckbar, würde ich meinen – aus dem Körper der …« Das letzte Wort spricht er so leise aus, dass weder Alex noch Leslie es verstehen können.
»Aus was für einem Körper?«, fragt Alex.
»Aus dem der Grundel«, sagt Reggie mit geübter Lässigkeit.
»Was ist denn eine Grundel?«, fragt Alex.
»Ein Fisch«, sagt Leslie. Sie
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