Breed: Roman (German Edition)
frage bloß.«
»Hast du an Leslie etwas Ungewöhnliches bemerkt?«
»Abgesehen davon, dass sie ihre Dermatologin fast in Stücke gerissen hat?«
»Das ist nicht lustig, Arthur.«
»Das sollte es auch nicht sein. Aber irgendetwas geht da vor sich. Wenn du nicht darüber sprechen willst, können wir das Thema einfach fallenlassen. Solltest du mir jedoch etwas mitteilen wollen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür. Meine Uhr läuft sowieso.«
»Eigentlich«, sagt Alex und räuspert sich, »sieht es so aus, als könnte es mehr als ein Kind werden. Womöglich erwarten wir Zwillinge. Es besteht sogar eine minimale Chance auf Drillinge.«
»O Gott.«
»Wieso sagst du das?«
»Weiß nicht. Ist mir einfach rausgerutscht.«
»Du meinst, wir werden keine guten Eltern sein?«
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Aber du hast
O Gott
gesagt, als wäre eine Katastrophe im Anzug.«
»Es war nur so dahingesagt, Alex. War nicht böse gemeint.« Er nimmt einen letzten Schluck von seinem Wodka, stellt das Glas mit einer gewissen Bestimmtheit auf den Beistelltisch und erhebt sich.
Alex denkt, wie amüsant es wäre, sich auf Arthur zu stürzen, ihn vor die Brust zu stoßen und zu Fall zu bringen – nicht um ihm wehzutun, sondern nur, um ihn daran zu erinnern, wer der Boss ist, wer oben und wer unten ist. Wer die Rechnungen bezahlt. Wer die Kosten dafür trägt, der Boss zu sein. Aber hallo!
Und da kommt Arthur an, die Arme zu einer kameradschaftlichen Umarmung ausgebreitet. Sein dicker Bauch drückt gegen den mittleren Knopf seiner Anzugjacke, seine Manschettenknöpfe funkeln im Lampenlicht. Er legt die Arme um Alex, klopft ihm männlich auf den Rücken und sagt: »Mach’s gut, alter Freund. Wir sprechen morgen früh wieder miteinander. Und bitte entschuldige mich bei Leslie – aber ich muss nach Hause. Rhonda und ich haben heute Abend Karten für das
Phantom der Oper
. Das interessiert mich zwar nicht im Geringsten, aber Rhonda ist jung und will es sehen. Sie glaubt doch tatsächlich, es ist eine Oper.«
»Na dann«, sagt Alex, der plötzlich einen Bärenhunger hat. Er hat eine lebhafte Vision von Beefsteak tatare, während er seinen alten Freund zur Tür bringt.
Angesichts der Festnahme, des bevorstehenden Zivilverfahrens und des Tons von Leslies E-Mails und Telefonanrufen fühlt Cynthia sich gezwungen, ihr Leben in San Francisco vorübergehend aufzugeben und nach New York zu kommen, um auf ihre jüngere Schwester aufzupassen. Cynthia ist eigentlich nicht der Typ, der sich Sorgen macht, doch das, was sich aus der Kommunikation mit Leslie schließen lässt, ist unmissverständlich. Nachdem sie sich in New York in ihrer eigenen Zimmerflucht eingerichtet und ihre Kleider in der geschwungenen Kommode aus der Zeit Georgs III . untergebracht hat, will sie sich um Leslies zunehmend problematische Körperpflege kümmern.
Es gibt Grund zu der Annahme, dass unter den New Yorker Dermatologen Gerüchte über Leslie zirkulieren, aber Cynthia ist sich ziemlich sicher, dass irgendjemand aus der großen Zahl an Hautpflegespezialisten in der Stadt – aus Ungarn, Russland, Korea, mit und ohne Konzession – in der Lage sein wird, Leslie mit Hilfe von Elektrolyse zumindest vorübergehend Linderung zu verschaffen. Aufgrund ihrer Erfahrung in Slowenien will Leslie sich nur ungern von Osteuropäern behandeln lassen, und wie das Glück es will, findet sie im Internet eine Frau namens Lu Park, die vier Straßen von ihrem Haus entfernt ein Hautpflegestudio betreibt. In der Hoffnung, eine Wiederholung von Leslies Erlebnis bei Dr. Ryan zu verhindern – das Leslie auf Beschämung über ihren eigenen Zustand zurückführt, eine etwas fadenscheinige Erklärung, die Cynthia lieber nicht hinterfragen will –, verabreicht Cynthia ihrer Schwester eine doppelte Dosis Alprazolam, wodurch diese benommen wird und praktisch verstummt. Die Haarentfernung, die volle fünf Stunden dauert, in denen Leslie praktisch ständig schläft, verläuft ohne Zwischenfall.
Es bleibt Cynthia überlassen, Lu Park zu bezahlen, eine Frau Mitte vierzig mit mädchenhaften Spangen im dunklen Haar und Händen, die sich hart wie Holz anfühlen. Lu Park fragt Cynthia: »Sie ist Ihre Schwester, nicht wahr?« Und als Cynthia das bejaht, schüttelt Lu Park den Kopf und sagt: »Zwei andere Frauen, schwanger, gleiches Problem. Beide kommen hierher.« Während sie spricht, zählt sie zornig das Geld, als würde es nicht ganz ausreichen, um sie für ihre Mühen zu
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