Breed: Roman (German Edition)
entschädigen.
Am nächsten Tag ist Leslie immer noch außergewöhnlich benommen von dem Betäubungsmittel. Ihre Haut sieht rot aus und fühlt sich verbrannt an, weshalb es eine leichte Entscheidung ist, die Arbeit zu schwänzen und mit ihrer Schwester zu Hause zu bleiben. Bei einem späten Frühstück mit französischem Kaffee und Croissants beichtet sie Cynthia endlich mit leiser und verwaschener Stimme den Besuch bei Dr. Kiš.
»In meinem ganzen Leben hab ich nicht so große Angst gehabt«, sagt Leslie.
»Wie konntet ihr bloß zu so einem Quacksalber gehen?«, fragt Cynthia, während sie gleichzeitig das Muster auf der Kaffeetasse (nobles englisches Porzellan) bewundert.
»Als Quacksalber kann man ihn eigentlich nicht bezeichnen, oder?«, sagt Leslie und tätschelt ihre angeschwollene Mitte. »Wir haben wirklich alles versucht, und Dr. Kiš ist der Einzige, der Erfolg hatte.«
»Dr. Kiš? Ist das wirklich sein Name?«
»Ehrlich gesagt, wussten wir vorher eigentlich kaum etwas über ihn. Aber jetzt danke ich Gott für ihn.« Wieder tätschelt sie ihren dicken Bauch.
»Ich erinnere mich noch daran, als wir Kinder waren«, sagt Cynthia. »Da war ich diejenige, die Babys wollte, während du immer gesagt hast, für dich käme das niemals infrage. Und jetzt – ich hab zwei Cockerspaniels und eine Wohnung voller Antiquitäten, und so, wie es aussieht, werde ich nie Mutter werden können. Aber du! Du platzt geradezu aus den Nähten.«
»Wenn man mit jemandem verheiratet ist, will man ihm eben Freude machen.«
»Tja,
er
ist aber auch mit jemandem verheiratet, nämlich mit
dir
, und ich hab nicht den Eindruck, dass er
dir
Freude macht.«
»Ach, leck mich doch am Arsch«, sagt Leslie. Die Worte hallen wie Schüsse, und in der kläglichen Stille, die folgt, verfärbt sich Cynthias Gesicht, während Leslie Wellen aus Scham und Verblüffung durch den Körper wogen spürt. »Entschuldige bitte«, sagt sie. »Ich weiß nicht, wo das hergekommen ist. Das war bescheuert.« Doch noch während sie das sagt, haben beide Schwestern eine ziemlich gute Ahnung, wo es hergekommen ist – von demselben Ort, von dem Leslies Koteletten gekommen sind, und demselben Ort, der den Angriff auf Dr. Ryan gestartet hat. Leslie leidet unter einem katastrophalen hormonellen Ungleichgewicht.
»Du lieber Himmel, Leslie, ich habe gerade meine Periode, aber nicht ich, sondern du spielst verrückt. Übrigens – hast du vielleicht noch Tampons übrig? Ich hab meine nämlich vergessen.«
Wie um sich zum Schweigen zu bringen und um einen neuen Ausbruch zu verhindern, füllt Leslie sich den Mund mit dem Rest ihres Croissants. Es fühlt sich im Mund überhaupt nicht wie etwas zu essen an, sondern so, als hätte sie in ein Kissen gebissen. Um den ungesüßten Klumpen Gebäck zu befeuchten, nimmt sie einen großen Schluck Kaffee, und die heiße Flüssigkeit bringt sie zum Würgen. Sie hält sich an der Tischkante fest, während sie hemmungslos hustet, als wäre sie allein oder nicht ganz menschlich. Sie streckt die Zunge heraus und würgt Essensbrocken aus dem Mund – Cynthia schreckt zurück und schützt sich mit ihrer blassrosa Damastserviette –, doch auch die Befreiung von Croissant und Kaffee kann Leslies Husten nicht stillen, und es dauert nicht lange, bis ihr so übel geworden ist, dass sie nicht nur die früheren Bissen ihres Frühstücks erbricht, sondern auch die Reste des gestrigen Abendessens, kleine Brocken Hühnerfleisch, die in einer Brühe aus hellgelber Galle schwimmen.
»Leslie!«, sagt Cynthia ebenso ermahnend wie besorgt.
Leslies Augen sind glasig. Ihr Unterkiefer hängt herab. Sie fährt mit den Fingerspitzen über den kleinen Berg Erbrochenes, der zitternd auf ihrem wunderhübschen Frühstücksteller liegt. Und dann steckt sie sich die Finger in den Mund und lutscht sie ab.
»Leslie, hör auf! Was tust du da?«
Leslie macht den Eindruck, als wollte sie antworten. Ihr Mund öffnet sich, aber kein Wort kommt heraus. Nur ein leises Stöhnen, ein
Ahhhh
, das in ihrer Kehle rasselt wie Kiesel in einer leeren Blechdose. Sie drückt sich vom Tisch ab, um aufzustehen, stürzt jedoch von ihrem Stuhl hart auf den Boden, wo sie liegen bleibt und sich windet, stöhnend und sabbernd, mit weiten, angstvollen Augen, die nichts sehen.
»Leslie!«, ruft Cynthia. Sie kniet sich neben ihre Schwester und versucht, diese zu beruhigen, indem sie ihr auf die Schulter klopft und ihr übers Haar streicht.
Blanca, die Haushälterin, die drei
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