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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chase Novak
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anrufen, um anzukündigen, dass er zum Übernachten kommt? New York ist ein Ort voller Freundlichkeit, aber mit begrenzter Gastfreundschaft.
    Er ist jetzt einen halben Block von seinem Apartmenthaus entfernt. Die Nacht ist kalt und feucht. Die Reifen der vorüberfahrenden Wagen, hauptsächlich Taxis, flüstern und zischen über das nasse Pflaster; in den mit Regentropfen besprenkelten Windschutzscheiben spiegeln sich die Straßenlaternen. In Havanna verwenden die Autofahrer ihre Scheibenwischer möglichst wenig, aber hier sausen die Dinger selbst dann hektisch hin und her, wenn es nur nieselt.
    Xavier hat vor, zur Kreuzung Twenty-Third Street und Park Avenue South zu gehen, um die Bahn zur Grand Central Station zu nehmen und dort in den Shuttle zum Times Square umzusteigen, von wo er mit der »A« ins Viertel seiner Schwester fahren kann. Als er auf der Twenty-First Street nach Westen geht, fällt ihm auf, dass jeder seiner Schritte von jemandem auf der anderen Straßenseite nachvollzogen wird. Geht er schneller, verschärft auch der Mann gegenüber das Tempo, und wenn Xavier bewusst langsamer geht, tut der Mann drüben dasselbe. Offenbar weicht er den von den Straßenlaternen geworfenen Lichtkreisen aus, und die Nacht ist zu dunkel, um mehr als seinen Umriss zu erkennen. Xavier hat eine vage Ahnung, dass der Kerl schon gegenüber seinem Apartmenthaus postiert war und Xavier seither beschattet, aber der war zu sehr mit seinem Telefonat mit Rosalie beschäftigt, um darauf zu achten.
    Normalerweise sind allerhand Leute auf der Straße unterwegs, selbst in dieser Gegend, wo es kaum Lokale und Geschäfte gibt, doch das schlechte Wetter hat die Zahl der Passanten auf ihn und den Mann da drüben reduziert. Xavier ist sehr gut in Form und weiß, wie man sich bei einer Schlägerei verhält, aber trotzdem spürt er, wie ihn die Angst überkommt. Soll er stehenbleiben, damit der Mann auf der anderen Straßenseite entweder weitergehen oder sagen kann, was er will? Aber nein: Hier in New York geht es nicht immer nur um Kraft, Mut oder Kampfsportfähigkeiten, hier tragen solche Scheißkerle Waffen, oft Pistolen.
    Ist das jemand, der ihn ausrauben will? In seinem Portemonnaie hat er bloß etwa dreißig Dollar. Allerdings will er selbst diese kleine Geldsumme nur äußerst ungern verlieren. Schließlich will Rosalie ihre Zigaretten und ihren Zucker …
    Xavier bleibt stehen, und das tut der Mann tatsächlich auch. Als Xavier sich umdreht, um ihn direkt anzuschauen, wendet der Mann sich ab und blickt in die Höhe, als wäre da etwas in einem Fenster hoch oben, was seine Aufmerksamkeit erregt hat. Xavier könnte die Straße überqueren, weiß aber nicht recht, was er tun soll, wenn er drüben angelangt ist. Als er sich darauf vorbereitet, vom Bordstein zu treten, nähert sich ein Taxi. Das Kunststoffdiadem ist erleuchtet und zeigt an, dass es bereit für einen neuen Fahrgast ist. Xavier hebt einen Finger. Wie die meisten New Yorker Taxifahrer hat auch dieser seine Bremskünste perfektioniert, sodass der Handgriff der Hintertür sich direkt vor dem Fahrgast befindet.
    Der Fahrer ist ein Sikh; das Kabel zum Ohrhörer seines Mobiltelefons schlängelt sich unter seinem Turban. »Ja? Wo wollen wir hin?«, fragt er. Xavier will gerade sagen, er möchte zur Kreuzung Twenty-Third und Eighth gebracht werden, wo er in die »A« steigen kann, doch bevor er den Satz herausbringt, sieht er, wie der Mann, der ihn verfolgt hat, plötzlich auf die Straße flitzt.
    »Los!«, ruft Xavier dem Fahrer zu, der mit einer Hand an seinem Ohrhörer fummelt und mit der anderen den Taxameter einschaltet. Dennoch entgeht ihm die Dringlichkeit in Xaviers Stimme nicht, und er legt den Gang ein, gerade als der Mann auf die Tür zustürzt und versucht, sie zu öffnen. Instinktiv hebt Xavier den Arm, um sich zu schützen, als wäre der Mann eine Lawine aus Schlamm und Felsbrocken, die auf ihn herabdonnert. Der Mann schlägt mit seiner behandschuhten Hand ans Fenster, das fast aus seinem Rahmen springt, und brüllt vor Wut und Frustration. Er hat einen großen Kopf, grobe Gesichtszüge, buschiges Haar.
    Das Taxi fährt nach Westen, und Xavier späht aus dem Rückfenster. Das Herz schlägt ihm bis zum Hals. Der Mann rennt hinter ihnen her; seine Füße scheinen kaum den Boden zu berühren.
    »Ach, das ist eine verrückte Stadt in einem verrückten Land«, sagt der Fahrer. Er legt die Hand auf seinen Turban, als könnte der ihm vom Kopf fliegen.
    »Schneller«, sagt

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