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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chase Novak
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schützen, drapiert er ein altes Hemd darüber. Beim Anblick des feinen Baumwollstoffs wird Alex manchmal plötzlich von Traurigkeit erfasst, von Sehnsucht nach seinem früheren Leben, als er schlüssig argumentiert und an makellos sauberen Tischen gegessen hat, als die Zeit selbst ihm reich erschienen ist, was unweigerlich der Fall ist, wenn man seinen Mandanten für jede Stunde, die vergeht, mehr als tausend Dollar in Rechnung stellt. Dieser Computer ist eine Art Grube, in die er häufig gefallen ist, denn die Zeit, die er hier verbringen wollte, um sein Leben in Ordnung zu bringen, ist oft völlig vergeudet worden, indem er hirnlose Computerspiele gespielt hat oder unter dem Vorwand, etwas zu recherchieren, banalen Informationen hinterhergejagt ist. Mit eBay, Pornographie und dem Betrachten von Tiervideos auf YouTube vergehen Stunden, in denen Alex sich in einer Art Fluchtzustand befindet. Wecken daraus kann ihn nur ein plötzlicher Hungeranfall, weshalb er inzwischen zwar weiterhin versucht, seinen Computer von dem Chaos ringsum fernzuhalten, ihn aber nur noch als einen der dysfunktionalen Aspekte seines Lebens betrachtet. Manchmal überlegt er sogar, ob er das Ding nicht einfach nehmen und in Stücke hauen sollte.
    »Warum sind wir hier?«, fragt Leslie, als er sie zu seinem Tisch führt.
    »Setz dich und schau dir das an«, sagt Alex. Der Begrüßungsjingle ertönt, als der Computer hochfährt, der Bildschirm füllt sich mit blauem Licht, und dann erscheint das von Alex eingestellte Hintergrundbild – ein leckeres Rehkitz mit zur Seite geneigtem Kopf. Die Tastatur ist verschmiert, und es liegen nicht wenige Haare darauf, was jedoch weder Alex noch Leslie auffällt. Alex tippt kraftvoll auf ein paar Tasten, um auf YouTube zu gelangen, und ruft einen Videoclip auf.
    Es ist Dr. Kiš, der aussieht, als wären seit dem Besuch der beiden in seiner Praxis nicht zehn, sondern dreißig Jahre vergangen. Der Titel des Clips lautet
Fleisch und Blut
! Kiš stiert in die Kamera wie jemand, der nach einer Festnahme auf der Polizeiwache fotografiert wird, wo er weder den Blick abwenden noch sich verstecken kann, jedoch hofft, durch übermäßig geöffnete Augen, zusammengepresste Lippen und aufgeblähte Nasenlöcher irgendwie sein Aussehen verändern zu können.
    »O Gott, Alex, das ist ja
er
!« Leslie packt Alex am Arm.
    »Ich weiß, ich weiß.«
    Vor Verwunderung hat Leslie den Mund aufgesperrt. Sie schüttelt den Kopf. »Ich dachte, wir hätten alles versucht. Wie hast du ihn bloß gefunden?«
    »Einfach so. Ist das so wichtig?« Er stoppt den Clip. »Willst du es sehen oder nicht?«
    Leslie starrt auf das verwüstete Gesicht von Kiš. Sie liest den Titel des Videos –
Fleisch und Blut
– und hat plötzlich eine Ahnung, wie Alex darauf gestoßen ist. Das müssen die Begriffe sein, die er in die Suchmaschine eingegeben hat, das ist das schaurige und schändliche Ziel seiner Neugier. Fleisch, Blut, wer weiß, was sonst noch? Aber sie hat kein Bedürfnis, ihn zu erniedrigen oder dafür zu sorgen, dass er sich noch schlechter fühlt.
    »Lass es laufen«, sagt sie und berührt ihn an der Schulter.
    Er wirft ihr einen Blick voll Liebe und Dankbarkeit zu. Zwischen den beiden besteht eine Nähe, die alles übertrifft, was er sich je hat vorstellen können. Er klickt auf das Start-Icon.
    »Bonjour«, sagt Kiš mit sehr leiser Stimme.
    »Auf Englisch, Doktor.« Die Stimme ertönt hinter der Kamera.
    Ist das Reggie?
, überlegt Leslie.
Dieser fürchterliche kleine Zuhältertyp …
Doch nein, die Stimme ist ohne diesen höhnischen, komplizenhaften Tonfall, an den Leslie sich aus Ljubljana erinnert. Sie gehört jemandem, der schwerer und sorgenvoller, vielleicht sogar freundlich ist.
    »Wo ist das?«, fragt Leslie.
    »Ach«, sagt Kiš und wirft die Hände in die Luft. Er atmet durch und streicht sein Hemd glatt.
    »Weißt du was?«, fragt Alex und hält den Clip abrupt an. »Er sieht aus, als wäre er auf dem Weg nach Den Haag.« Leslie sieht ihn mit leerem Ausdruck an. »Zum Internationalen Gerichtshof.«
    »Ah ja«, sagt Leslie. Doch sie schüttelt den Kopf, immer noch leicht verwirrt.
    »Weißt du, viele Militärs im ehemaligen Jugoslawien haben sich während des Bürgerkriegs ziemlich schlecht benommen. Es gab allerhand Gemetzel.«
    »In den alten Zeiten?«
    »Nicht ganz. Mitte der neunziger Jahre, so um die Zeit.«
    »Da war ich noch gar nicht geboren.«
    »Natürlich warst du das, Leslie. Was redest du da nur!«
    »Hör auf,

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