Breed: Roman (German Edition)
hervor. Sie setzt sich wieder auf das Sofa, halb auf das Polster und halb auf die zusammengeknüllte Decke. »Ich will mich umbringen«, sagt sie. »Ich will nicht mehr am Leben sein.«
Alex nickt. »Ich weiß.« Er rückt näher zu ihr und nimmt ihre Hand. »Aber das können wir nicht«, sagt er mit leiser, trauriger Stimme.
»Ich weiß«, sagt Leslie. »Es ist ein Jammer.«
»Bist du eigentlich hungrig?«
Sie zuckt die Achseln. »Ich könnte schon was essen. Was haben wir denn da?«
»Kubaner.«
»Einen Menschen? Ich dachte, das hätten wir … O Gott, ich bin froh, dass Adam und Alice nicht hier sind. Es geht alles zu schnell.«
»Wir haben uns gewehrt, so lange wir konnten.«
»Hast du dich gewehrt? Oder hast du dich bedient, ohne dass ich davon wusste?« Leslie kneift die Augen zusammen.
»Das habe ich nicht, und ich nehme dir die Frage durchaus übel.«
»Wo ist er?«
»Im Keller bei den anderen.«
»Bei den Hunden?«
»In einem Käfig. Ich glaube, es ist Zeit. Alles in meinem Innern sagt mir, es ist Zeit.«
»Ich bin noch nicht dazu bereit«, sagt Leslie, obwohl sie spürt, wie ihr das Wasser im Mund zusammenläuft.
»Ich fühle mich wie ein Teenager«, sagt Alex. »Kurz bevor er zum allerersten Mal Sex hat. Keine Macht auf Erden hätte mich damals aufhalten können.«
»Sobald wir das tun, gibt es kein Zurück mehr.«
»Nicht unbedingt«, sagt Alex.
»Du hast es schon mal getan, nicht wahr? Das merke ich daran, wie du darüber sprichst!«
»Er sieht ausgesprochen lecker aus, Leslie. Es ist so grässlich und so erregend. Ich meine, ehrlich, denk doch mal nach. Wann haben wir zum letzten Mal etwas genossen? Ich meine, richtig und wahrhaft genossen?«
Leslie legt den Kopf schief und lauscht. Lauscht noch ein wenig länger. Schließlich lächelt sie. »Ich kann absolut nichts von da unten hören. Das hast du wirklich gut gemacht. Ich bin stolz auf dich.«
»Wir Twisdens machen keine halben Sachen, meine Liebe. Komm. Gehen wir hinunter. Ich will, dass du ihn bloß mal anschaust. Nur ein kurzer Blick, ein Schnuppern. Mehr nicht.«
Er reicht ihr die Hand, die sie ergreift, um sich von ihm auf die Beine ziehen zu lassen. Sie gehen ins Erdgeschoss hinab und nähern sich der schweren Holztür unterhalb der Treppe.
»Eigentlich sind wir echt schrecklich«, sagt Leslie, obwohl sie in diesem Augenblick eine derart intensive Liebe zu Alex verspürt, dass sie lächeln muss.
»Wir können nichts dagegen tun, meine Liebe.«
»Was soll das eigentlich, dass du ständig
meine Liebe
sagst? Das hört sich so hochtrabend an.«
»Ich versuche nur, die Nacht aufzuhalten«, sagt Alex.
Leslie schüttelt den Kopf, während Alex den alten Kerkermeisterschlüssel hervorholt, groß und rostig, und ihn ins oberste Schloss steckt.
»Wir sollten uns schämen«, sagt Leslie.
»Das tun wir doch. Ein wenig.«
»Wir sollten uns umbringen.«
»Das glaubst du doch eigentlich gar nicht.«
»Doch, das tue ich.«
»Tja, das können wir nicht. Es liegt einfach nicht in unserer Natur, jedenfalls jetzt nicht mehr. Kein Tier außer dem Menschen kann Selbstmord begehen.«
»Was ist mit den Lehmigen?«, fragt Leslie. Ihr Gesicht hellt sich auf.
»Du meinst die
Lemminge
, meine Liebe. Die begehen gar nicht Selbstmord. Sie haben keine Ahnung, was zum Teufel passieren wird, wenn sie von der Klippe fallen.«
»Was für Trottel, stimmt’s?«
»Genau. Völlige Idioten.« Alex dreht den Schlüssel, und das Schloss reagiert mit einem tiefen, metallischen Schlag. Leslie legt ihm die Hand auf den Arm, um den Lauf der Dinge zu verzögern.
»Dann können wir vielleicht jemanden dafür bezahlen, uns umzubringen«, sagt sie. »Das kann man schon für tausend Dollar machen lassen.«
»Wir bringen uns nicht um, und wir bezahlen auch niemanden dafür, uns umzubringen. Leslie! Was ist nur los mit dir? Diese ganze Negativität. Die saugt bloß allem das Leben aus.«
»In unserem Keller ist ein Mensch eingesperrt.«
»Das ist mir klar.«
»Unsere Kinder sind von zu Hause weggelaufen.«
»Ach, ich bin auch mal von zu Hause weggelaufen. Du hast das wahrscheinlich auch manchmal getan.«
»Nein, nein. Hab ich nicht.«
»Tja, so was geschieht eben. Kinder … reißen aus.«
»Sie sind ausgerissen, weil sie Angst vor uns haben.«
»Das weißt du gar nicht. Sie können aus tausend Gründen abgehauen sein.«
»Doch, das weiß ich. Und du weißt es auch. Sie haben …« Sie wedelt mit der Hand vor ihrem Gesicht, wie sie es immer tut,
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