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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chase Novak
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an den Zaun lehnen, wird ihr klar, dass Rodolfo es ernst meint.
    Er sieht den ungläubigen Blick auf ihrem Gesicht. »Los, komm!«, sagt er, als würde nur ein Spinner oder ein sehr merkwürdiger Typ es sich zweimal überlegen, ob er sich in einer kalten Novembernacht in das eisige Wasser des Stausees stürzt.
    »Nie im Leben. Das ist eiskalt.«
    »Bloß am Anfang.« Er legt ihr die Hand auf die Schulter. Sie schreckt zurück, bevor sie merkt, dass seine Berührung freundlich und sanft ist.
    »Das kannst du vergessen.«
    »Komm einfach rein mit uns, Alice. Ich versprech es dir.«
    »Was denn?«
    »Es wird dir gefallen.«
    »Ich werde krank und sterbe.«
    »Hier bist du weniger in Gefahr, als du es je gewesen bist.«
    Sie ist nicht sicher, was er damit meint, aber etwas an seinen Worten kommt ihr wahr vor.
    Einige der Jungen und zwei der Mädchen haben ihre Jacken und Shirts ausgezogen, ein Junge – Alice verschlägt es den Atem, als sie das sieht – ist inzwischen völlig nackt, und jetzt klettern alle über den Zaun, ohne sich mehr anzustrengen als eine Schar Kinder, die eine Treppe hochläuft. Einzeln und zu zweit brechen sie durch die dünne Eisschicht, die nicht richtig hart, sondern so breiig ist wie Kuchenteig, bis sie mit Ausnahme von Rodolfo und Alice alle im Wasser sind. Sorglos wie Seehunde tauchen sie unter, um anderswo wieder aufzutauchen, bespritzen sich gegenseitig, raufen, lachen, drücken sich unter Wasser. Voll uneingeschränkter jugendlicher Energie steigen ihre Stimmen mit so viel Kraft vom Wasser auf, dass Alice sich vorstellen könnte, sie reichten bis zum fernen, verschleierten Mond am Himmel hinauf.
    »Wenn das bloß niemand hört«, sagt Alice. Sie kann den Blick nicht von dem Schauspiel abwenden. Bewunderung und Schrecken erfüllen sie, Neid und Verachtung.
    »Das ist uns egal.«
    »Sollte es aber nicht«, sagt Alice und hört in ihrer Stimme die ihrer Mutter.
    »Wir haben schon das Schlimmste durchgemacht«, sagt Rodolfo. Einerseits klingt das ehrlich, andererseits so, als würde er damit angeben. »Was Schlimmeres kann uns keiner mehr antun. Willst du sicher nicht reinspringen? Es macht echt Spaß.«
    »Abgelehnt«, sagt Alice.
    »Schon okay«, sagt Rodolfo. Er klopft ihr beruhigend auf die Schulter, dann greift er in die Tasche seiner Jeansjacke und holt etwas zu essen heraus, was er sich rasch in den Mund steckt.
    Was ist das?,
überlegt Alice. Es war rot und hat irgendwie feucht ausgesehen. Ihr kann er keines anbieten, weil es ein frisch erbeutetes Herz ist, das er wie ein kleines rotes Ei aus dem Nest zerbrechlicher Knochen in der Brusthöhle eines Eichhörnchens gepflückt hat.
     
    »Bevor wir runtergehen, will ich dir etwas zeigen«, sagt Alex zu Leslie und führt sie an der Hand zu dem verwüsteten Raum, den er einmal als Arbeitszimmer bezeichnet hat – in der Hoffnung, diese Benennung würde eine Art Ordnung nach sich ziehen und daraus einen Ort machen, an dem tatsächlich gearbeitet, Aufgaben erledigt, Geld verdient und Selbstachtung gewahrt würde. Langsam und unaufhaltsam ist der Raum stattdessen in einem ebenso grässlichen Chaos versunken wie alle anderen Zimmer. Alex kann sich nicht einmal mehr erinnern, wann er zu Hause etwas für die Kanzlei gemacht hat. Bisher hat er es immerhin geschafft, den Überblick über den Verkauf seines Familienerbes zu behalten, aber selbst diese traurige Buchführung ist in Unordnung geraten. Mehrere Verkäufe und der noch einzutreibende Erlös sind auf losen Zetteln notiert, die in größeren Haufen ähnlicher Zettel untergegangen sind. Vieles ist unlesbar geworden, weil es von dem Zeug betropft und beschmiert ist, das er ständig zum Futtern hereinschleppt, Sachen, die er sich in seinem früheren Leben nie hätte vorstellen können: große Stücke rohes Fleisch, riesige Dosen Hühnerbrühe und für Rottweiler hergestellte Kaustreifen aus roher Rinderhaut. Letztere sind, wie Alex und Leslie festgestellt haben, ideal dazu geeignet, die extreme Kieferspannung zu lindern, die sie so oft verspüren – wenn es in jeder Liebesbeziehung mindestens einen Scherz geben muss, den niemand außer dem betroffenen Paar lustig findet, dann sind das bei ihnen diese Kaustreifen aus roher Haut.
    In der Mitte von Alex’ Schreibtisch steht sein Laptop, den er mit gewaltiger Mühe sauber gehalten hat und der sich dadurch von der allgemeinen Schmuddeligkeit und Unordnung des Zimmers abhebt. Er macht immer den Deckel zu, und um den Computer zusätzlich zu

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