Breit - Mein Leben als Kiffer
es sich
wünscht. Dafür ist mein Schmerz zu groß.
Zu meinem Glück wechselt Katrin noch vor
den großen Ferien auf eine andere Schule.
Altes Gras
Endlich Sommerferien! Nur langsam habe ich
mich von dem ebenso traurigen wie
erbärmlichen Liebesgeplänkel mit Katrin erholt.
Was für ein dummer Junge ich doch bin. Mache
Telefonstreiche bei wehrlosen Frauen und gebe
mich zwei Monate einer Beziehung zu einem
Mädchen hin, das ich eigentlich gar nicht geliebt
habe. Wenn ich es mir recht überlege, habe ich
mir meine Gefühle für Katrin die ganze Zeit nur
eingebildet.
Aber jetzt schöpfe ich neuen Lebensmut und
bin voller Tatendrang. Es geht mir wieder
richtig gut. Der peinliche Amon von gestern,
der sich benimmt wie ein Kindergartenkind, laut
und dumm, ist Geschichte. Dadurch, dass ich
die Sache mit Katrin verarbeitet habe, fühle ich
mich viel erwachsener, erfahrener. Ich
beschließe, mir nicht mehr alles gefallen zu
lassen, sondern endlich mein Ding
durchzuziehen. Ich will ein emanzipierter,
cooler Hip Hopper werden, meine Kreativität in
die richtigen Bahnen lenken. Ich will nicht mehr
stumpfsinnig meine Tage vor dem Computer
verbringen. Ich will mehr. So wie die Älteren
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aus meiner Schule will ich sein, souverän,
lässig. Indem ich mitleidig auf den Amon
heruntergucke, der ich vor kurzem noch
gewesen bin, glaube ich, mich von allen
Schwächen und Unsicherheiten befreien zu
können. Die Ereignisse der letzten zwei Monate
kommen mir vor, als wären sie bereits zwei
Jahre her.
Ich fühle mich wie eine Schlange, die ihre
alte Haut abwirft.
Das, was man Jugend nennt, wird jetzt
richtig losgehen, das weiß ich. Ich werde mir
bessere oder zumindest andere, richtige
Freunde suchen, schöne Mädchen küssen und
so viel trinken, bis ich nicht mehr kann. Diese
Ferien werden großartig, berauschend und wild,
da bin ich mir sicher.
Doch welch zum Himmel stinkende
Ungerechtigkeit! Was für eine Enttäuschung!
Ich werde den Startschuss zu meinem neuen
Leben verpassen, weil ich sechs Wochen in
einem großen Haus mit einem riesigen Garten
eingesperrt sein werde, während meine Mam
sich als gärtnernde Wühlmaus betätigt und
meine Großmutter den ganzen Tag Kuchen
backt. Meine Mutter zwingt mich, in den Ferien
mit nach Wilster aufs Land zu fahren.
Scheiße, ich will nicht weg aus der Großstadt.
Da verpasse ich die besten Partys! In den
Sommerferien erleben die anderen immer die
geilsten Geschichten, fahren gemeinsam in den
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Urlaub, treffen sich an der Alster oder auf dem
Kiez. Schon nach den letzten Ferien musste ich
mir voller Neid die besten Storys anhören.
«Bitte, Mam, doch nicht gerade jetzt», flehe
ich sie an. «Die wichtigsten Partys meines
Lebens warten auf mich. Ich will genau wie die
anderen meine Jugend genießen. Das ist doch
ganz normal. Sei nicht so unfair zu mir. Die
sind doch eh schon alle viel weiter als ich.
Bitte!»
«Nein, wir fahren nach Wilster, das habe ich
so beschlossen, und du kommst mit. Du kannst
ja die letzten beiden Wochen zu deinem Vater
fahren. Außerdem brauche ich deine Hilfe im
Garten, und deine Großmutter wäre auch sehr
enttäuscht, wenn du nicht mitkämst.»
«Ich bin zu alt für Ferien auf dem Bauernhof,
Mam! Das ist doch echt 'ne beschissene
Nummer.»
Doch diesmal ist alle Widerrede zwecklos. Ich
werde wohl oder übel vier Wochen lang nichts
weiter sehen als Kühe, Schafe und Senioren,
die Fahrrad fahren.
«Du kannst dir ja einen Freund einladen. Was
ist denn mit Christian? Von dem hast du schon
lange nichts mehr erzählt. Was macht der
eigentlich?»
«Sicher keine Ferien auf dem Bauernhof.»
Es kommt, wie es kommen muss. Meine Mutter
macht mir zwar ständig Vorschläge für Ausflüge
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und will mich zu Wattwanderungen und was
weiß ich überreden, aber ich wimmle sie ab. Am
Abend beschwert sie sich dann immer, dass ich
den ganzen Tag vor dem Fernseher oder dem
Computer hocke. Sie sagt, ich soll mein
bleiches Gesicht in die Sonne halten. Die frische
Luft und das traumhafte Wetter tun auch
meinen Pickeln gut. Selbst wenn ich nur einen
einzigen Pickel habe, macht sie mich sofort
darauf aufmerksam, indem sie erst lange
daraufstarrt und dann anfängt, mein Gesicht zu
befummeln. Natürlich nehmen wir uns auch oft
in den Arm, aber diese Pickelfummelei ist echt
erniedrigend.
Im Moment habe ich viele Pickel, und Mam
überredet mich, im Dorf zur Kosmetikerin zu
gehen.
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