Breit - Mein Leben als Kiffer
Das ist typisch für Mütter: Sie lieben
einen wirklich und sind einem dabei doch die
gesamte Zeit lang peinlich.
«Das muss aufhören Mam. Ich bin fünfzehn!
Ja? Du kannst mich nicht mehr behandeln wie
ein Kind.»
«Meinst du, die Mädchen finden das toll,
wenn sie von einem Pickelfritzen geküsst
werden? Glaubst du das?»
Ich gebe auf und verziehe mich in mein
Zimmer. Dort schnappe ich mir Illuminatus! von Robert Anton Wilson, ein Buch, das mich
gerade völlig in seinen Bann schlägt. Die
Geschichte ist ebenso verworren wie
faszinierend. Eine Reihe von ziemlich
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durchgeknallten Leuten, unter anderem Hippies
und politische Aktivisten, treffen auf Hagbard
Celine, der mit seinem goldenen U-Boot die
Weltmeere unsicher macht und gegen die
Illuminaten kämpft – eine geheime
Organisation reicher und mächtiger Menschen,
die die Welt beherrschen.
Das Buch ist äußerst fantasievoll
geschrieben, man wird förmlich reingesogen in
die Welt des Hagbard – die vielen Farben und
die ständig wechselnden Bilder – so ähnlich
stelle ich mir einen Drogenrausch vor. In einer
Rezension habe ich gelesen, dass das Buch am
ehesten mit einem lang anhaltenden
Halluzinogen vergleichbar wäre, wenn es eine
Droge wäre. Von ihm geht zwar keine
körperliche Suchtgefahr aus, aber es kann
belustigen, verstören und bisherige
Realitätsinterpretationen zerstören. Wenn man
sich als Leser darauf einlassen will. Und das will
ich.
Im Internet suche ich nach allem, was ich
über die von Adam Weishaupt gegründeten
Illuminaten, über Weltverschwörungen und
Freimaurerlogen finden kann. Die Welt ist schon
ein besonderes Irrenhaus mit all der Gewalt
und der Geheimnistuerei. Auch in den
Raptexten geht es viel um solche Sachen. Sie
sind voller Verschwörungstheorien, etwa über
die Zahl Dreiundzwanzig oder die wahren
Machthaber der Welt. Seit einiger Zeit achte ich
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sehr auf Zufälle. Ich finde es spannend zu
beobachten, ob einem im Alltag Dinge
begegnen, die so stimmig wirken, dass man gar
nicht mehr an einen Zufall glauben kann. Als
ich heute Morgen kurz draußen war, lag genau
vor dem Haus auf der Straße eine Schachtel
Gauloises, auch noch die roten. Genau die
Marke, die ich rauche. Nur Zufall?
Beim Surfen finde ich etwas über die
Haschemiten, Mitglieder eines geheimen
arabischen Kämpferordens. Sie sollen ständig
breit gewesen sein, weil sie, um furchtlos zu
werden und mystische Erfahrungen zu machen,
Hasch geraucht haben. Ich meine zu verstehen,
wie es in der Welt so läuft: Drogen nehmen und
die Geheimnisse der Welt und des Lebens
entdecken, das gehört zusammen wie Liebe
und Trauer. Wäre ich doch nur in der Hippiezeit
geboren, dann würde ich in einer spacigen
Kommune leben und den ganzen Tag Sex
haben, Joints rauchen und mich um das selbst
angebaute Gemüse kümmern.
Meine Verwandlung zum coolen Amon ist
allerdings noch nicht abgeschlossen. Ich stelle
mir vor, was Markus, Florian und Jan sagen
würden, wenn sie mich jetzt sehen könnten,
hier auf dem Land. Sie würden sich bestimmt
totlachen.
Jedenfalls stehe ich voll auf diesen ganzen
Geheimkram, eine willkommene Ablenkung von
der langweiligen Einöde des Landlebens. Ich
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halte mich für einen großen Denker. Nicht von
ungefähr bin ich im Mündlichen immer besser
als alle anderen. Ich rocke sie alle und bin
ziemlich stolz darauf. Wenn ich meiner Mam
von den verrückten Theorien aus dem Netz
erzähle, macht sie mich nur dafür an und sagt,
ich soll meine Zeit nicht mit solchem
Schwachsinn verschwenden. Für sie ist die Welt
logisch erklärbar, geheimnislos. Übersinnliches
hat da keinen Platz. Weshalb sie behauptet, ich
würde bald vollkommen verblöden. Ihrer
Meinung nach schade ich mir nur selbst damit,
wenn ich jede Nacht erst um zwei oder drei ins
Bett gehe und den ganzen Tag auf flimmernde
Bildschirme glotze. Allerdings unternimmt sie
auch nichts dagegen – wie immer. So ist sie:
tolerant bis zu den Zehennägeln. Egal, ob es
hilft oder nicht.
Da ich meiner Großmutter versprochen habe,
meine Lateinvokabeln mit nach Wilster zu
nehmen und fleißig zu lernen, gehe ich mittags
nach dem Essen in mein Zimmer und mache die
Tür zu. Natürlich lese ich während der Lernzeit
andere Sachen, und wenn sie reinkommt, lasse
ich das Buch oder den Comic schnell
verschwinden. Ich lerne nie, nicht eine einzige
Vokabel, und wenn meine Großmutter mich
abfragen will, behaupte
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