Breit - Mein Leben als Kiffer
ich einfach, dass mir
das nicht beim Lernen hilft.
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Meine Mutter hat ja eigentlich Recht, Sonne
und blauer Himmel sind schon was Geiles.
Trotzdem fühle mich leer. Ich sehe den blauen
Himmel und die Sonne nur, wenn ich am
Nachmittag in der Dachbodenkammer auf dem
verstaubten Bett sitze, heimlich rauche und mir
dabei einen runterhole. Die Kombination von
Zigaretten und Sex ist im Moment das Beste,
was ich mir vorstellen kann. Ich habe extra
zwei Ausgaben des Playboy mitgenommen.
Auf unserem Dachboden stehen Hunderte
von Kisten mit alten Spielsachen und den
verrücktesten Gegenständen. In einer von
ihnen finde ich eine bunte Jamaikamütze, wie
sie die Rastafaris tragen. Wahrscheinlich hat sie
meinem Vater gehört. Ich setze sie auf und
fühle mich ziemlich cool damit. Später, wenn
ich mal Geld habe, werde ich die große
Bodenkammer ausbauen und ein Chiller-Studio
daraus machen. Mit langen Hängematten,
einem Hochbett und einer eigenen Küche. Doch
wer soll da mit mir chillen und Musik machen
oder Filme schneiden? Ich kenne ja fast nur
Spacken.
Und doch ist der Gedanke verlockend, meine
Träume von einem erfolgreichen Regisseurleben
weiterzuspinnen. Nach der Schule will ich
unbedingt auf die Filmhochschule gehen, um
endlich selbst meine ganzen Ideen zu
verwirklichen.
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Nach zwei Stunden Träumerei auf dem
Dachboden ist mir nach einem Eis, und ich gehe
in den Keller. Als ich in die Tiefkühltruhe
schaue, traue ich meinen Augen kaum. Nie
wieder in meinem ganzen Leben werde ich so
überrascht sein. Tief unten finde ich nämlich
kein Eis, sondern einen überdimensionalen
Beutel mit gefrorenem Gras. Ich fühle mich wie
in einem dieser Filme, wenn die Hauptfigur
plötzlich eine große Tüte mit Drogen in die
Finger bekommt und es erst mal mit der Angst
zu tun kriegt. Wo zum Teufel kommen diese
Unmengen von Gras her? Egal. Meine Mutter
werde ich schon mal nicht fragen, denn dann
dürfte ich es nicht mitnehmen. Als ich weiter
rumkrame, entdecke ich noch zwei weitere
Beutel.
Wie verflucht viel Schwein muss man
eigentlich haben, um einen solchen Glücksgriff
zu landen! Ich kann vor lauter Freude gar nicht
mehr aufhören zu grinsen und vor mich hin zu
trällern.
«Drei supergroße Beutel Gras … dum di dum
… supergroße Beutel Gras … schubi dubi du wab
… nur für mich … dab dab … all das Gras, nur
für mich … schubi duuuuu!»
Ich nehme einen der Beutel mit nach oben
und verstecke ihn in meinem Zimmer. Es wäre
eine Katastrophe, wenn er meiner Mutter oder,
noch schlimmer, meiner Großmutter in die
Hände fallen würde. Meine Großmutter nennt
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mich ja immer noch Amonchen und sieht in mir
einen ganz anderen Menschen als den, der ich
wirklich bin.
Aus Angst, erwischt zu werden, traue ich
mich nicht, hier schon den Beutel zu öffnen,
und warte lieber damit, bis ich wieder zu Hause
in Hamburg bin.
Die Ferien vergehen nur langsam und trotz
Internet und Fernseher äußerst zäh. Nachdem
ich meine Mutter vier Wochen lang weich
geklopft habe, erlaubt sie mir letztlich doch, die
letzten vierzehn Tage der Ferien alleine in
Hamburg zu verbringen. Endlich weg aus der
Einöde! Ich kann mein Glück kaum fassen.
Am Hamburger Hauptbahnhof kaufe ich
meine ersten Blättchen. OCB haben sie nicht,
also nehme ich Smoking. Ich weiß, worauf es
ankommt, weil ich schon viel übers Kiffen
gehört und gelesen habe. Vor allem Florian
habe ich genau ausgefragt, seit er damals nach
der Skifreizeit von den «Kopfschüssen» erzählt
hat.
«OCB, das sind die besten Blättchen, und als
Filter nimmt man Partyflyer», hat er bereitwillig
erklärt. Gekifft wird überall, und jeder, der
einigermaßen normal ist, kifft regelmäßig,
gelegentlich oder hat es wenigstens schon mal
ausprobiert. Man sieht Kiffer im Park und riecht
das Hasch auf Konzerten, man hört davon in
Raptexten und kann Kiffer in Filmen
beobachten, und man bekommt es an der
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Schule mit, dass die Leute kiffen. Kiffen gehört
einfach dazu, wenn man jung ist.
Wieder zu Hause, mache ich mir erst mal
einen Tee. Keinen normalen natürlich, sondern
einen Gras-Tee à la carte. Noch im Stehen
nippe ich ein paar Mal daran und warte. Als ich
nichts spüre, trinke ich die Tasse in einem Zug
aus, setze mich auf mein rotes Sofa und warte.
Lese weiter in Illuminatus und warte. Es
passiert gar nichts, obwohl ich Unmengen von
dem Zeug reingetan habe. Also hole ich
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