Breit - Mein Leben als Kiffer
denke ich, während ich
mir souverän die nächste Zigarette anzünde.
«Ey guckt euch mal diese Sterne an, boah ist
das geil!», sagt Markus, als wir im Schnee
liegen und in den Himmel gucken.
- 35 -
Die Nacht ist kristallklar, und man kann jeden
einzelnen Stern erkennen. Gerne würde ich
weiter über die Sterne, das All und das
Universum philosophieren, aber mit den Leuten
hier geht das nicht. Die würden mich nur doof
angucken. «Laber nicht so’n Scheiß, Amon.»
Das kenn ich schon. Wir machen Schneeengel
und rauchen noch ein paar Zigaretten, bis wir
anfangen zu streiten, wer wem wie viele
Zigaretten schuldet. Die gute Stimmung ist
dahin, und wir gehen langsam wieder rein. In
der Hütte haben sich unsere Lehrer und die
anderen beiden Begleiter bereits ordentlich
einen angetrunken und spielen Karten. Unser
Sportlehrer wirft uns einen vielsagenden Blick
zu, als wüsste er genau, was wir draußen
gemacht haben. Trotzdem sagt er nichts.
Ich schlafe mit Markus, Florian und Jan in
einem Zimmer. Nach dem letzten Kontrollgang
der Lehrer mixe ich uns einen riesigen Drink.
Doch weil alle anderen Schiss haben oder weil
das Ding einfach zu abstoßend riecht, probiere
nur ich davon. Es wäre mir vor mir selbst zu
peinlich gewesen, zuerst mit viel Aufwand
Alkohol hierher zu schmuggeln und ihn dann
nicht zu trinken. Das Zeug schmeckt
scheußlich, knallt aber ziemlich.
Markus liest uns aus Jim Caroll – In den
Straßen von New York vor. Ein krasses
Gegenprogramm zu unserer Skihüttenidylle. In
dem Buch geht es um heroinsüchtige
- 36 -
Jugendliche, die immer mehr die Kontrolle
verlieren. Markus ist gerade an der Stelle, an
der Jim Caroll einem Homosexuellen auf einer
Bahnhofstoilette für Geld einen bläst. Diese
Geschichten aus der New Yorker Unterwelt mit
ihren Gangs, Schlägereien und verbotenen
Exzessen faszinieren uns so sehr, dass wir
während der ganzen Klassenfahrt immer wieder
darüber reden.
«Wusstet ihr eigentlich, dass Luisa in der
fünften Klasse in mich verliebt war und mich
gefragt hat, ob ich mit ihr gehen will?», frage
ich in den dunklen Raum hinein, als Markus
aufgehört hat zu lesen.
«Ja, genau, wahrscheinlich ist Pamela
Anderson danach auch noch aufgekreuzt, um
dir die Latte zu halten», höhnt Florian.
«Du bist so ein Honk, Monsen, wieso musst
du immer irgendeine Scheiße erfinden, um
damit anzugeben?», mischt sich nun auch
Markus ein.
Jan antwortet für mich: «Weil er ein Spasti
ist.»
Dann reden die drei kichernd über
verschiedene Schinkensorten, vor allem
Parmaschinken. Schinkensorten! Was für ein
bescheuertes Thema. Ich fühle mich unwohl
und schweige beleidigt. Es ist ja nicht so, dass
die drei nur mit mir derart verletzend umgehen.
Die reden immer furchtbar roh miteinander, für
sie ist das offenbar normal. Ich komme damit
- 37 -
jedenfalls nicht wirklich klar. Wahrscheinlich hat
jeder von uns ein sensibles und verletzliches
Ego, und gerade deshalb geht es so rau und
hart bei uns zu.
Beim Liftfahren bin ich heute gestürzt und
habe mich dabei ein wenig am Bügel verhakt.
Ich lag im Schnee und schrie hysterisch: «Hilfe!
Hilfe! He! Ich meine es ernst. Kann mich mal
jemand befreien!»
Im Nachhinein sind mir solche uncoolen
Sprüche ziemlich peinlich. Irgendwie fühle ich
mich den anderen unterlegen und versuche das
durch starkes, lautes Auftreten wettzumachen:
Einmal habe ich eines der Mädchen bei einer
Schneeballschlacht so heftig eingeseift, dass es
sich verschluckte und keine Luft mehr bekam.
Hinterher tat mir das Leid. Trotzdem schreie ich
während dieser zwei Wochen oft herum und
gehe den anderen mit meiner penetranten Art
auf die Nerven. Ein paar Mädchen prägen den
Ausdruck: «Das Gegenteil von Harmonie ist
Amonie.» Sie ritzen diesen Spruch sogar in ihr
Holzbett.
Am nächsten Abend sitze ich melancholisch
vor dem Haus auf der Bank und stochere mit
einem langen Eiszapfen, den ich vom Dach
abgebrochen habe, im Schnee herum. Katrin,
ein recht unauffälliges Mädchen, kommt aus der
Tür.
- 38 -
«Was ist denn mit dir los, bist du mucksch?»,
fragt sie, und wir fangen an, miteinander zu
reden.
Irgendwann traue ich mich, ihr zu erzählen,
dass ich unsterblich in Nicole verknallt bin. Sie
hört mir zu und macht mir Mut, es Nicole zu
sagen.
Schnell spricht es sich bei den Mädchen
herum, dass ich Katrin den Namen derjenigen
genannt habe, in die ich verliebt bin. Ständig
fragen
Weitere Kostenlose Bücher