Brenda Joyce
Frau. Das ist nun einmal eine Tatsache.«
»Aber
zurzeit hat er keine Mätresse?«
»Wie könnte
er? Er steht in der Öffentlichkeit.«
»Sind Sie
jemals einer dieser Frauen begegnet?«
Hart verschränkte die Arme vor
seiner breiten Brust, und sein Gesicht nahm einen verschlossen Ausdruck an.
»Diese Fragen sollten Sie meinem Halbbruder lieber selbst stellen, Francesca.«
»Oh, Sie sind einer begegnet,
das sehe ich Ihnen doch an!«, rief sie und sprang auf. »Wieso plötzlich so
unwillig? Am Samstag hat es Ihnen doch noch große Freude bereitet, mir unter
die Nase zu reiben, dass seine Frau nur zwei Bundesstaaten weit entfernt ist!«
Er erhob
sich langsam. »Sie schienen so glücklich zu sein. Ich dachte,
es sei angebracht, Sie auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.«
»0 nein,
das war nicht der Grund. Sie sind genau so, wie Bragg Sie beschrieben hat! Sie
waren offenbar schon als Kind eine Plage, und jetzt sind Sie auch noch
gefährlich dazu!« Er starrte sie an, und das Blut stieg ihm in die Wangen.
Francesca spürte, dass sie zu weit gegangen war. »Hart, es tut mir Leid.«
»Ich
sollte jetzt wohl besser gehen.«
»Nein.« Sie packte ihn am Ellbogen.
»Ich hätte das nicht sagen dürfen.«
»Warum
nicht? Wie ich schon sagte, wir leben in einem freien Land. Offenbar bin ich
Ihnen lästig. Und ich dachte, Sie könnten unserer Freundschaft etwas
abgewinnen«, fügte er kühl hinzu.
»Aber das tue ich doch auch!«,
sagte sie verzweifelt, und es war ehrlich gemeint. Panik stieg in ihr auf.
»Das glaube ich nicht. Sie sind
besessen von Rick. Viel Glück, Francesca. Vielleicht bekommen Sie ja, wonach
Sie sich sehnen. Vielleicht ist es falsch von mir zu glauben, ich müsse Sie
vor dem Ruin und der Schande bewahren. Eine oder zwei Nächte in seinem Bett
werden sicherlich hilfreich sein, damit Sie sich wieder beruhigen.«
Dieses Mal
versetzte sie ihm wirklich eine schallende Ohrfeige.
Hart
verließ wortlos den Raum.
Es war
beinahe zehn Uhr abends, und Francesca hatte den Esstisch eine halbe Stunde
zuvor unter dem Vorwand der Müdigkeit verlassen. Aber sie war so bekümmert,
dass ihr wohl jeder am Tisch angesehen haben
musste, wie es um sie bestellt war. Irgendwie hatten Evan und ihr Vater die Unterhaltung
in Gang gehalten, während Julia ihre Tochter nachdenklich gemustert und
Francesca selbst meist auf ihren Teller gestarrt hatte. Noch während des
Desserts hatte sie sich entschuldigt, war aufgestanden, hatte in der Eingangshalle
um ihren Mantel gebeten und anschließend das Haus verlassen.
Nachdem
sie eine Mietdroschke herangewinkt hatte, war sie zu Braggs Haus gefahren, vor
dem sie nun auf dem Bürgersteig stand. Die Fenster in der oberen Etage waren
dunkel, doch in dem Fenster im Erdgeschoss, das zur Straße hinausging, brannte
Licht. Francesca wusste, dass es zum Esszimmer gehörte.
Immer wieder beschwor sie sich
selbst, dass Bragg keine Mätresse hatte, dass er sie liebte und dass Hart sie
nur deshalb beunruhigt hatte, weil er Vergnügen daran fand.
Mittlerweile bedauerte sie es,
dass Hart ihr diesen Besuch abgestattet hatte, und sie war immer noch furchtbar
durcheinander, obgleich sie sich sagte, dass sie eigentlich gar kein Recht
dazu hatte.
Francesca schritt den kurzen Weg
zu Braggs Eingangstreppe hinauf, der mit einer frischen Schneeschicht von
einigen Zentimetern bedeckt war, und läutete die Türglocke.
Es dauerte
einige Minuten, bis Peter die Tür öffnete. Der große, kräftige Mann stand in
Hemdsärmeln da, und sein Hemd war mit Flecken übersät, die nach Tomatensoße
aussahen. Francesca fragte sich, was wohl geschehen sein mochte.
»Miss
Cahill.« Er ließ sie eintreten und schien nicht im Geringsten überrascht, sie
zu dieser späten Stunde zu sehen.
»Bragg ist doch daheim?«,
fragte sie und schlüpfte aus ihrem Mantel.
»Er ist im
Arbeitszimmer.« Peter legte sich ihren nerzgefütterten Mantel über den Arm und
führte sie zur Tür des Arbeitszimmers. Er klopfte leise an, dann öffnete er
die Tür und sagte: »Miss Cahill, Sir.«
Francesca
betrat das Zimmer, und Peter zog sich zurück. Bragg stand vor dem Kamin, in dem
ein helles Feuer knisterte, und hatte seine Hand auf dem darüber befindlichen
Sims abgestützt, auf dem rund ein Dutzend Familienfotografien standen.
Francesca fragte sich, ob er wohl auch irgendwo eine Fotografie von seiner Frau
versteckt hatte, eine, die bittersüße Erinnerungen in ihm wachrief. Als er
sich umdrehte, nahm er die Hand vom Kaminsims.
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