Brenda Joyce
»Francesca?«, fragte er
überrascht.
Ach, es war so schwer, sich
nicht sofort in seine Arme zu werfen! »Ich musste einfach vorbeikommen«, sagte
sie.
Er trat rasch auf sie zu und
legte ihr die Hände auf die Schultern. »Ist etwas passiert?«, fragte er.
»Nein,
nicht wirklich. Allerdings habe ich einige Neuigkeiten, von denen ich glaube,
dass Sie sie erfahren sollten.« Francesca mied seinen Blick. Zum wiederholten
Male ging ihr durch den Kopf, dass Bragg bestimmt eine Liebebeziehung
angefangen hatte, nachdem ihn seine Frau verlassen hatte. Er war ein viel zu
leidenschaftlicher Mann, um lange allein zu bleiben. Dennoch wünschte
Francesca, Hart hätte niemals davon gesprochen.
»Was denn für Neuigkeiten?«,
fragte er, während sein Blick langsam über ihr Gesicht wanderte.
Ihr Herz
vollführte einen Hüpfer. Das Arbeitszimmer lag im Dunkeln, nur die Stelle, wo sie standen, war in den
warmen Lichtschein des Feuers getaucht. »Ich hatte eine seltsame Begegnung mit
meiner Klientin, Lydia Stuart.« Francesca hört selbst, wie belegt ihre Stimme
klang. Sie vermochte ihren Kummer einfach nicht abzuschütteln und fragte sich,
ob es nicht vielleicht doch Eifersucht war. Sie war völlig verwirrt. »Bragg,
ich habe ihre Kutsche beim Begräbnis von Mary O'Shaunessy gesehen, und
möglicherweise war sie auch dort und vielleicht auch ihr Mann.«
»Wie
bitte?«, rief er.
Francesca erzählte ihm von der
Frau in dem marineblauen Mantel und von Stuarts Geschenk, der Gedichtsammlung.
Er war sehr überrascht. »Nun,
sollte Ihre Klientin oder ihr Mann in die Mordfälle verwickelt sein, wäre das
in der Tat eine ungewöhnliche Wendung. Ich werde den beiden direkt morgen einen
zwanglosen Besuch abstatten.«
»Ich
glaube, das sollten Sie tun. Sie sind von Philadelphia hierher gezogen, Bragg.
Vielleicht kennen sie Lizzie O'Brien.«
»Das
erscheint mir ein wenig zu weit hergeholt. Und ich vermute, dass es sich bei
der Gedichtsammlung auch nur um einen Zufall handelt«, sagte Bragg
nachdenklich. »Doch es lohnt sich gewiss, der Sache auf den Grund zu gehen.
Aber warum sollte sie – oder er oder eine Freundin – bei Marys Beerdigung
gewesen sein? Das ist doch die entscheidende Frage.«
»Da stimme
ich Ihnen zu.« Je länger Francesca Braggs Gesicht betrachtete, desto schwerer
wurde ihr ums Herz. »Und ein Irrtum ist ausgeschlossen, denn ich habe in ihrem
Kutscher sofort den jungen Mann wiedererkannt, der vor der Kirche neben der
Kutsche stand.«
»Nun, und
wir haben endlich Mike O'Donnell und Sam Carter aufgespürt. Sie befinden sich
beide in Gewahrsam. Ich habe die beiden jeweils eine ganze Stunde lang
befragt.«
»Und?«,
fragte sie eifrig. Das waren doch einmal gute Neuigkeiten, und für einen
Moment war alles, was Hart gesagt und getan hatte, vergessen.
»Tja,
falls O'Donnell seine Frau und seine Schwester wirklich gehasst haben sollte,
so vermag er es sehr gut zu verbergen. Carter ist ein zorniger Mann, was er
auch gar nicht zu verbergen versucht. Aber er behauptet, Mary nicht gekannt zu
haben und auch Maggie Kennedy nie begegnet zu sein, und ich glaube ihm.«
»Haben Sie
Mike nach Maggie gefragt?«, fragte Francesca.
»Ja, das
habe ich, und er scheint eine sehr hohe Meinung von ihr zu haben. Der Mann
wirkt wie ein gottesfürchtiger Heiliger.«
Sie berührte ihn am Ärmel.
»Nun, wir haben ihn beide kennen gelernt, und ein Heiliger ist er gewiss
nicht.«
»Nein, da stimme ich Ihnen zu.
Hören Sie, Francesca, ich sehe doch, dass Sie versuchen, Ihre Gefühle vor mir
zu verbergen. Was ist geschehen?«
Sie zögerte und wich seinem
fragenden Blick aus. »Ich mache mir große Sorgen um Maggie. Ich möchte, dass
'dieser Fall so schnell wie möglich gelöst wird.« Und das entsprach der
Wahrheit, wenn es auch nicht die ganze Wahrheit war.
»Das möchte ich auch.« Er
strich mit der Hand über ihre Schulter. »Aber da ist doch noch mehr.«
Francesca sah ihn an. »Es ist
nur ...« Sie brach ab, denn eigentlich war sie zu stolz, um ihn nach seinem
Privatleben zu fragen, zumal es obendrein höchst unpassend gewesen wäre. Im
Übrigen gehörte diese Angelegenheit schon längst der Vergangenheit an, da war
sie sich ganz sicher.
»Es ist nur
was?«
Sie schüttelte den Kopf und
murmelte: »Ihr verflixter Bruder hat mir einen Besuch abgestattet, und ich habe
mich furchtbar über ihn aufgeregt.«
Er ließ seine Hand fallen. »Wie
es scheint, fühlt er sich magisch von Ihnen angezogen.«
»Das
möchte ich bezweifeln«,
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