Brenda Joyce
Bragg die Abschürfungen an ihren Händen. Die
Verletzungen sahen viel schlimmer aus, als sie eigentlich waren, da noch das
Blut des Opfers an Francescas rechter Hand klebte.
Bragg
starrte ihre Hände fassungslos an. Dann ergriff er sie, drehte sie um, ließ sie
wieder los und blickte Francesca an. »Offenbar muss ich in Zukunft quer durch
die ganze Stadt hinter ihnen herrennen«, knurrte er. »Was hatten Sie denn dort
oben in dem Baum verloren? Nein, lassen Sie mich raten – Sie arbeiten an einem
Fall, richtig?«
Offenbar war seine Wut bereits
verraucht. Leider war Francesca in der ganzen Aufregung völlig entfallen, dass
sie nun ihre Wette verloren hatte. Sie betrachtete bestürzt Braggs gut
aussehendes Gesicht und dachte, dass der Abend im Theater mit anschließendem
Tanz und Abendessen nun doch nicht stattfinden würde.
»Sie haben eine neue Klientin«,
stellte er grimmig fest.
Sie nickte zögernd. »Ja, das
habe ich.«
Er presste die Lippen zusammen.
»Ich habe Ihnen zwei Wochen gegeben.« Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Das
waren höchstens zwei Stunden, Francesca.«
Sie atmete
tief durch. »Das mag wohl sein. Bragg ...«
»Wer hat Sie angeheuert, und
was hatten Sie auf dem Baum zu schaffen?«, schnitt er ihr das Wort ab.
Sie öffnete den Mund, um es ihm
zu sagen, schloss ihn dann aber wieder. »Das ist vertraulich, Bragg.«
Er
lächelte, aber es war kein freundliches Lächeln. »Wer hat Sie angeheuert, und
was hatten Sie auf dem Baum zu schaffen?«, wiederholte er, dieses Mal mit unnachgiebiger
Stimme. Francesca ahnte, dass sie den Bogen nicht überspannen durfte. »Eine
Mrs Lincoln Stuart verdächtigt ihren Mann, eine Affäre zu haben. Ich wollte ihn
auf frischer Tat ertappen. Leider war ich im falschen Garten. Die angebliche
Geliebte ihres Mannes wohnt in Nummer 40, nicht in Nummer 42.«
»Da haben
Sie ja einen schönen Bock geschossen«, erwiderte Bragg.
»Ja, das habe ich wohl«,
stimmte sie ihm zu. »Hören Sie, Bragg, ich kenne das Opfer.«
Seine
Augen weiteten sich. »Wie bitte?«
Francesca
schluckte. »Das ist die Frau, die am Dienstag vor dem Plaza Hotel beinahe
überfahren wurde, Bragg. Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass sie bestimmt mit mir
sprechen wollte, weil sie in Schwierigkeiten steckte, aber Sie haben mir ja
nicht geglaubt!« Tränen stiegen ihr in die Augen.
Er legte sofort seinen Arm um
sie, und dankbar ließ sie sich gegen ihn sinken. »Es ist alles meine Schuld«,
sagte sie mit zitternder Stimme. »Hätte ich doch nur ...«
»Sind Sie sich ganz sicher? Ist
das wirklich dieselbe Frau, die in der Menschenmenge vor dem Plaza stand?«
Francesca
nickte und blickte ihm in die Augen. »Ich habe sie zu Boden geworfen, um sie
vor dem Brougham wegzustoßen, der sie sonst überrollt hätte, Bragg. Ich habe
auf der Straße auf ihr gelegen und konnte ihr Gesicht deutlich sehen. Ich bin
mir vollkommen sicher, dass dies die Frau ist. Hätte ich nur nicht
lockergelassen, dann wäre sie vielleicht noch am Leben!«
»Nein! Sie sollten sich keine
Vorwürfe machen. Es ist nicht Ihre Schuld, dass diese Frau umgebracht wurde,
Francesca.« Er hob ihr Kinn leicht an, blickte ihr in die Augen und sagte
eindringlich: »Tun Sie sich das nicht an.«
Sie schüttelte den Kopf. Einen
Moment lang war sie nicht in der Lage, einen Ton herauszubringen. »Bragg, haben
Sie das Kreuz gesehen, das in ihren Hals geschnitten ist?«, fragte sie
schließlich leise.
»Ja, das
habe ich«, erwiderte er mit finsterer Miene. Er musterte Francesca für einen
Moment mit einem forschenden Blick, während sie um ihre Fassung rang. Dann ließ
er sie los und ging zurück zu der Leiche und den Kriminalbeamten, die um sie
herumstanden. Inzwischen waren insgesamt vier Männer am Tatort eingetroffen.
Francesca erkannte in dem kleinsten von ihnen Inspector Newman. Sie folgte
Bragg, fühlte sich aber immer noch ganz elend.
»Ich möchte, dass sie so
vorsichtig wie nur eben möglich ins Leichenschauhaus geschafft wird«, sagte
Bragg gerade zu seinen Männern. »Berühren Sie dabei auf keinen Fall ihre Hände.
Aber bevor sie weggebracht wird, möchte ich, dass man sie fotografiert.«
»Fotografiert?«, ertönte es
ungläubig aus Murphys Mund, einem großen Mann mit dickem Bauch.
»Genau. Lassen Sie sie bis
Sonnenaufgang von zwei Männern bewachen. Treiben Sie noch heute Abend einen
Fotografen auf. Als Erstes möchte ich Fotografien von der Toten, wie sie dalag,
als sie gefunden wurde. Ich möchte nicht einmal, dass Sie
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