Brenda Joyce
mit ihr gelangt zu
sein: Daisy würde für die nächsten sechs Monaten seine Mätresse sein – und
dabei ausschließlich ihm zur Verfügung stehen. Nach dieser Zeit wartete eine
so großzügige Entlohnung auf sie, dass sie ihr Leben als Hure beenden konnte.
Natürlich gab es auch die Möglichkeit, diese Vereinbarung zu verlängern, und
Hart war sich ganz sicher, dass Daisy mit Freuden bei ihm
bleiben würde, aber die meisten Frauen langweilten ihn schon nach wenigen
Monaten, und so würde eine Verlängerung dieser Abmachung für ihn wohl kaum in
Betracht kommen.
Er schritt
den hübschen Steinweg zur Vordertreppe der roten Backsteinvilla hinauf und
bemerkte, dass er vereist war und mit Salz bestreut werden sollte. Daisy war
zwar erst am Tag zuvor eingezogen, doch Hart wusste – auch wenn sie niemals
über ihre Vergangenheit redete –, dass sie aus einer guten Familie stammte, und
daher verstand er nicht, warum sie keinem der Dienstboten befohlen hatte, den
Weg zu fegen und Salz zu streuen. Er klopfte an die Tür.
Sie wurde erst nach einer
ganzen Weile geöffnet. »Ja bitte?«, fragte ein Butler, den Hart nicht kannte.
Er trat ein
und warf dem Mann einen kühlen Blick zu. »Ich bin der Besitzer dieses Hauses«,
sagte er. »Sorgen Sie dafür, dass mir das nächste Mal ein Türsteher zu Diensten
ist, wenn ich eintreffe.«
Der Butler erbleichte. »Es tut
mir Leid, Sir, Mr Hart«, sagte er und verbeugte sich.
Hart machte sich gar nicht erst
die Mühe, den Mann nach seinem Namen zu fragen. »Wo ist Miss Jones?«
»Im Salon,
Sir. Sie ...« Er verstummte, da Hart bereits seinen Mantel abschüttelte, und
griff rasch danach, damit er nicht zu Boden fiel. Hart reichte ihm seinen
Gehstock mit der Goldspitze, den er nur zur Schau trug, und durchquerte mit
großen Schritten die Eingangshalle mit dem beigefarbenen Marmorboden. An der
Tür zum Salon klopfte er einmal an und trat dann ein, ohne Daisys Antwort
abzuwarten.
Wie immer
hatte ihr Anblick eine unglaubliche Wirkung auf ihn. Daisy stand in der Mitte
des erst halb eingerichteten Salons und trug ein umwerfendes Kleid in einem
zarten Rosa, das zu ihren Lippen passte, die sie niemals schminkte, da ihre
natürliche Farbe einfach perfekt war. Die junge Frau war von einer geradezu
ätherischen Schönheit. Sie war schlank und wirkte fast schon zerbrechlich, ihre
Haut hatte einen blassen Elfenbeinton und das Haar die Farbe von Mondlicht.
Ihre Schönheit war so atemberaubend, dass es Hart manchmal beinahe schmerzte,
ihr Gesicht zu betrachten. Denn letztlich war es ihr Gesicht, das Daisy so
unvergleichlich schön machte: Es war dreieckig, die Lippen üppig und voll, die
Nase schmal und perfekt geformt, die Augen groß und kindlich. Ihre hohen
Wangenknochen deuteten auf slawische Vorfahren hin. Kein Mann vermochte diese
Frau anzusehen und gleich wieder wegzublicken – es war einfach unmöglich.
Außerdem
besaß sie ein gutes Herz.
Als Hart
sie nun betrachtete, stellte er mit großer Zufriedenheit fest, dass ihr Kleid
überaus anständig war. Er verabscheute Mätressen, die mit ihrer Aufmachung
protzten. Daisy hingegen besaß eine natürliche Eleganz. Selbst wenn sie
splitternackt war und ihn mit ihrem Mund zur Raserei brachte, hatte sie etwas
Hoheitsvolles und Anmutiges an sich.
Bei seinem
Eintreten drehte sie sich um und schaute ihn mit ihren großen blauen Augen an.
»Calder!«, rief sie mit ihrer sanften, atemlosen Stimme, einer Stimme, die die
eines Kindes war und über ihre große Intelligenz hinwegtäuschte.
Hart löste
seinen Blick von ihr und schaute die rundliche Frau mittleren Alters an, die in
einem goldfarbenen Lehnsessel saß und mit der Daisy offenbar gerade ein Bewerbungsgespräch
führte. Die Frau gab sich Mühe, Hart mit ausdruckslosem Gesicht zu
betrachten, doch er erkannte den Widerwillen und die Missbilligung in ihrem
Blick.
Mit einem erfreuten Lächeln,
das offensichtlich echt war, kam Daisy auf ihn zugeschwebt. »Was für eine nette
Überraschung«, flüsterte sie.
Er ergriff ihre Hand und küsste
sie galant, da er sich grundsätzlich weigerte, seine Zuneigung oder sein
Verlangen vor irgendjemandem zur Schau zu stellen – ganz besonders nicht vor
einer Dienstbotin.
Daisy
blickte ihm lächelnd in die Augen.
Er
erwiderte ihr Lächeln kurz, trat dann vor die Frau in dem Lehnstuhl und sagte
mit kühler Stimme: »Miss Jones wird Ihre Dienste nicht benötigen. Vielen Dank.
Sie können gehen.«
Die Frau erhob sich mit
zusammengepressten Lippen und
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