Brenda Joyce
schönste
Dame im ganzen Raum ist?«, fragte er und richtete sich kerzengerade auf, als
wolle er sich für einen Kampf bereitmachen.
»Oh, jetzt
bringen Sie mich aber in Verlegenheit! Heute Abend sind so viele schöne Damen
anwesend, dass ich niemanden beleidigen möchte.« Harts Blick wich nicht von Montrose,
doch das Lächeln, das seine Lippen umspielte, erreichte nicht seine Augen. Die
beiden Männer erinnerten Francesca an zwei Stiere in einem Pferch.
Neil trat einen Schritt vor.
»Wollen Sie etwa meine Frau beleidigen?«, fragte er mit scharfer Stimme.
Connie
schien einer Ohnmacht nahe zu sein. »Neil!«, flüsterte sie.
Francesca begriff, dass Neil
darauf aus war, einen Streit vom Zaun zu brechen. »Neil ...«, setzte auch sie an.
Doch im
selben Moment stellte sich Bragg zwischen die beiden Männer. Er packte Hart am
Arm und sagte: »Ich glaube, du hast Evan Cahill und Sarah Channing, seine
Verlobte, bereits kennen gelernt.«, Hart starrte Montrose noch einen Moment lang
mit einem spöttischen Blick an, ehe er sich umdrehte. »Ich hatte leider bisher
noch nicht das Vergnügen, Miss Channing zu begegnen.« Er nickte ihr zu.
Sarah
errötete. »Mr Hart, ich habe schon so viel über Sie gehört und ich bewundere
Ihre Bemühungen, die schönen Künste zu unterstützen.«
Er stutzte und schenkte ihr ein
aufrichtiges Lächeln. »Sind Sie etwa auch Kunstsammlerin?«, fragte er und
betrachtete sie mit einem interessierteren Blick.
Sarah
zögerte. »Ich hoffe, es eines Tages zu sein.«
Er neigte den Kopf. »Ich
wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.«
»Das hier ist meine Cousine,
Gräfin Benevente«, sagte Sarah schüchtern.
Es hatte
eine Weile gedauert, bis Bartolla, die unter all den schönen Frauen im Raum
sicherlich die auffallendste war, an die Reihe kam. Francesca war erstaunt,
dass Hart nicht schnurstracks auf sie zugegangen war, aber das mochte daran
liegen, dass er derzeit an Connie interessiert war.
Erst jetzt
richtete Hart seinen Blick auf Bartolla. Diese blieb sitzen, was ein bisschen
eigenartig war, da mittlerweile alle anderen aufgestanden waren. Zu Francescas
Erstaunen vollführte Hart lediglich eine kleine Verbeugung in Bartollas
Richtung. »Ich glaube, wir sind uns schon einmal begegnet«, sagte er dann mit
einem spöttischen Lächeln.
»Ja, ich glaube, es war in
London«, erwiderte sie kühl. Jegliche Koketterie war mit einem Schlag
verschwunden.
Hart grinste. »In Lissabon. Ich
vergesse niemals einen Abend, der vom Vollmond, dem Meer und romantischem
Kerzenlicht bereichert wurde.«
»Ach, wirklich? Dann ist Ihr
Gedächtnis besser als das meine.« Bartolla zog selbstbewusst die Augenbrauen
in die Höhe.
»Aber vielleicht verwechsle ich
Sie ja auch mit einer anderen Dame«, fuhr Hart fort.
Bartolla
lächelte, und wenn ein Lächeln hätte töten können, wäre er wohl auf der Stelle
tot umgefallen. »Ja, das wird es sein. Sie denken wahrscheinlich an eine ganz
andere Frau. Wie nett, Sie wiederzusehen, Mr, äh, Hyde?«
Francesca
begriff, dass Hart und Bartolla offenbar ein Verhältnis gehabt hatten. Ich
hätte es wissen sollen, dachte sie und seufzte vernehmlich, woraufhin sich alle
zu ihr umdrehten.
Hart lachte
und machte sich gar nicht erst die Mühe, Bartolla wegen seines Namens zu
korrigieren. »Nun, es war mir ein Vergnügen«, sagte er. »Aber jetzt muss ich
mich wieder meiner Begleitung widmen.« Sein Blick wanderte zu Francesca
hinüber.
Sie atmete erleichtert auf. Zum
Glück hatte er nicht vor, an diesem Abend eine Szene zu machen! Sie wünschte
ihm eilig einen schönen Abend und konnte kaum erwarten, dass er sich wieder entfernte.
Doch Hart drehte sich noch
einmal zu Bragg um. »Hast du eigentlich schon die Neuigkeit gehört?«, fragte
er.
»Welche Neuigkeit?«, erkundigte
sich Bragg mit ausdrucksloser Stimme.
»Leigh Anne
ist in Boston«, sagte Hart.
Kapitel
9
DONNTAG,
9. FEBRUAR 1902 – KURZ NACH MITTERNACHT
Der Abend war unerträglich gewesen. Connie lief unruhig in
ihrem Ankleidezimmer umher und wusste nicht, was sie tun sollte.
Sie trug bereits ihr
cremefarbenes, mit Spitze verziertes Seiden-Neglige, musste aber noch ihr Haar
herunterlassen. Wenn sie sich in dem Spiegel über der Tänsu-Kommode
betrachtete, erblickte sie eine bleiche, verängstigte Frau – eine Frau, die ihr
völlig fremd war.
Aber die Woche ist doch so
friedlich verlaufen, dachte sie verzweifelt. Wie hatte sich das an einem
einzigen Abend nur plötzlich so vollkommen ins Gegenteil verkehren
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