Brenda Joyce
warf ihm Bragg
vor. »Ich kann Ihnen nicht mehr sagen.« Der Geistliche blickte nach oben, als
schaue er zum Himmel hinauf und bitte um göttlichen Beistand.
»Nicht einmal, wenn dadurch ein
dritter Mord verhindert werden könnte?«, fragte Bragg ebenso kühl wie zuvor.
O'Connor sah ihn mit großen Augen an. »Sie glauben doch wohl nicht etwa, dass
dieser Wahnsinnige noch einmal zuschlägt?«
»Doch, das
tue ich«, antwortete Bragg.
Francesca musterte den Priester
neugierig. Was wusste er, was sie nicht wussten?
»Also gut«, sagte O'Connor.
»O'Donnell begehrte seine eigene Schwester.«
Draußen sagte
Francesca zu Bragg: »Ich glaube zwar immer noch, dass Carter der Mörder ist,
aber, großer Gott, Bragg, O'Donnell hat gebeichtet, dass es ihn nach seiner
Schwester gelüstete!« Sie spürte, dass sie rot wurde. »Das kann doch nur das
Verlangen eines Wahnsinnigen sein.«
»Behauptet
O'Connor«, bemerkte Bragg.
»Was soll
das heißen?«
»Nun, für meinen Geschmack hat
er diese vertrauliche Information viel zu schnell preisgegeben. Ich traue ihm
nicht. Tatsache ist, dass O'Donnell nicht zum Begräbnis seiner Frau erschienen
ist. Warten wir einmal ab, ob er morgen bei Marys Beerdigung auftaucht.« Er
schritt zu der Kutsche hinüber, in der sie ein Polizist ins Stadtzentrum
gefahren hatte. Seltsamerweise hatte sich der Motor von Braggs Automobil geweigert
anzuspringen.
»Aber warum sollte O'Connor
etwas behaupten, das nicht stimmt?«
»Ich weiß es nicht. Aber er hat
sich um hundertachtzig Grad gedreht. Erst erzählt er uns, wie fromm O'Donnell
ist, und dann erfahren wir, dass er seine eigene Schwester begehrt hat, was ja
wohl nicht so ganz dem Gebaren eines gottesfürchtigen Menschen entspricht.« Er
öffnete Francesca die Kutschentür. »Der Täter hat ein Kreuz in die Kehlen der
Frauen geritzt, Francesca.«
Francesca wäre vor Schreck
beinahe vom Trittbrett abgerutscht. Sie drehte sich entsetzt zu Bragg um. »Sie
glauben doch wohl nicht ... Sie verdächtigen doch wohl nicht O'Connor?«
»Nun, sein Verhalten erscheint
mir zumindest verdächtig«, war alles, was er darauf erwiderte.
»Aber was ist mit Carter? Er
wusste, dass die Frauen erstochen worden sind!«, rief sie.
»Das stand
in sämtlichen Zeitungen«, antwortete er und stieg ebenfalls in die Kutsche ein.
»Wo soll ich Sie absetzen?«
»Vor Lydia
Stuarts Haus«, sagte sie und nannte ihm die Adresse. »Ich habe die Schlagzeilen
in der Sun und der Tribune gesehen. Sie haben den Verbrecher den
'Kreuzmörder' genannt. Diese Zeitungen werden erst seit dem frühen Morgen
verkauft, und sie sind frühestens gegen fünf oder sechs aus der Druckerpresse
gekommen! Aber ich bin Carter gestern Nacht gegen ein Uhr begegnet, und da
wusste er bereits, dass ein Messer als Mordwaffe gedient hatte, denn er sagte,
er habe niemanden 'aufgeschlitzt'.«
»Auf der
Straße wird viel geredet. Er könnte die Details über die beiden Morde irgendwo
erfahren habe«, sagte Bragg. »Hören Sie, Francesca, ich habe ja nicht
behauptet, dass O'Connor ein Verdächtiger ist, aber er hat für meinen Geschmack
einfach zu schnell nachgegeben. Meine Intuition sagt mir, dass er nicht ehrlich
ist – oder zumindest uns gegenüber nicht ehrlich war.«
»Dann haben wir jetzt also drei
Verdächtige?«, fragte Francesca mit zittriger Stimme.
»Auf jeden Fall haben wir
zwei«, sagte Bragg, als ihre Kutsche in die Bowery einbog.
»Da wäre Carter, der sich
äußerst feindselig verhält und wusste, dass beide Frauen erstochen wurden. Aber
kannte er auch beide Frauen?«
»Das ist eine gute Frage, und
die werde ich ihm auch sofort stellen, sobald wir ihn aufspüren«, sagte Bragg.
»O'Donnell kannte beide Frauen,
da er der Ehemann der einen und der Bruder der anderen war. Er ist 'fromm' –
und das Kreuz, das den Opfern in den Hals geschnitten wurde, zeugt von religiösem Fanatismus. Er hat nicht an
der Beerdigung seiner Frau teilgenommen und dennoch hat er mir gegenüber
behauptet, sie geliebt zu haben und gegen die Trennung gewesen zu sein.«
Francesca sah Bragg an. »Er sprach auch abfällig über Carter. Und laut O'Connor
begehrte er seine Schwester. Bragg, dieser Kerl könnte in der Tat unser Mann
sein.«
Bragg lächelte. »Vor einer
Minute noch waren Sie der Meinung, Carter sei der Mörder!«
»Er hat mir
letzte Nacht Angst eingejagt.«
Sein
Lächeln erstarb. »Ich weiß.«
Sie schüttelte die Erinnerung
an die bangen Minuten schnell ab, in denen Carter sie in seiner Gewalt
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