Brenda Joyce
anzustarren.
»Wir genehmigen uns lediglich
einen kleinen Drink nach dem Essen«, erklärte Evan steif.
Francesca war entsetzt. Sie
blickte ihren Bruder mit großen Augen an.
Bartolla
setzte sich auf und strahlte Francesca an. »Francesca! Bitte ziehen Sie keine
voreiligen Schlüsse, ich würde meine liebe Cousine niemals in irgendeiner
Weise hintergehen. Sarah weiß, dass wir hier sind; sie hat es abgelehnt, sich
uns anzuschließen. Hätten Sie auch gern etwas zu trinken?«
Francesca war ein wenig
erleichtert, blieb aber dennoch misstrauisch. »Das gehört sich nicht«, entfuhr
es ihr.
»Ich kann nicht glauben, dass
ausgerechnet du so etwas sagst«, knurrte Evan.
Bartolla
zuckte mit den Schultern. »Ich bin Witwe, meine Liebe. Und eine reiche dazu.
Ich kann tun und lassen, was ich will, solange es mir egal ist, was man über
mich sagt.« Sie zuckte erneut mit den Schultern. »Und es schert mich wirklich
nicht im Geringsten, was die Klatschmäuler in dieser
Stadt tratschen. Sie beneiden mich doch nur um meine Freiheit.« Sie nahm einen
Schluck aus ihrem Glas und seufzte. »Mein guter Evan, dieser Whiskey ist
wirklich fabelhaft.«
»Ich habe ihn von meinem
letzten Jagdausflug mitgebracht«, antwortete er und lächelte sie an.
Francesca kam zu dem Schluss,
dass dies nicht der richtige Augenblick war, um Bartollas liberale Einstellung
oder ihre Beziehung zu ihrem Bruder zu analysieren. »Evan, jetzt ist er
bestimmt verschwunden!«
»Wer
denn?«, fragte er.
Bartolla richtete sich auf,
schwang ihre Beine über den Sofarand und stellte die Füße auf den Boden. »Ja,
was hat es mit diesem Mörder auf sich?«
»Ach,
verflixt!«, rief Francesca und begann wieder zu zittern, während sich ihre
Augen vor Enttäuschung mit Tränen füllten.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte
sich Evan, setzte sein Glas ab und legte einen Arm um sie.
»Nein, es
ist nicht alles in Ordnung! Der Mann, der wahrscheinlich für den Mord an zwei
unschuldigen jungen Frauen verantwortlich ist, macht sich gerade aus dem
Staub!«, schrie sie.
Evans Augen
wurden kugelrund. »Großer Gott!«, entfuhr es ihm, doch dann verdüsterte sich
sein Blick. »Alles was Recht ist, Fran, was zu viel ist, ist zu viel. Ich schlage
vor, du rufst deinen Freund an, das heißt, ich schlage vor, du rufst die
Polizei.«
SONNTAG,
9. FEBRUAR 1902 – 9.45 UHR
Francesca traf um Viertel vor zehn vor Braggs Tür ein – bevor er
die Gelegenheit hatte, sie abzuholen. Sie war nicht überrascht, dass er ihr,
bereits mit einem Mantel bekleidet, eigenhändig die Tür öffnete.
Er blickte sie erstaunt an.
»Francesca! Ich wollte mich gerade auf den Weg machen, um Sie abzuholen.«
»Ich möchte
nur noch einmal kurz nach den Mädchen sehen, bevor wir gehen.« Sie trat ins
Haus und zog ihre Handschuhe aus. »Haben Sie Carter gestern Nacht erwischt?«
Francesca hatte Bragg in der Nacht zuvor schließlich telefonisch erreicht,
sich dann aber entschieden, ihn nicht zu begleiten, sondern Evan und Bartolla
Gesellschaft zu leisten und die Anstandsdame zu spielen. Daher war sie erst
gegen zwei Uhr in der Früh im Bett gewesen, so dass sie jetzt noch ziemlich
müde war.
»Nein. Wir
haben die ganze Upper East Side abgesucht, aber er war wie vom Erdboden
verschluckt.« Sein Blick ruhte auf ihr.
»Es tut mir Leid. Ich hätte Sie
früher anrufen sollen. Wegen mir hatte Carter einen recht guten Vorsprung.«
»Nein, mir
tut es Leid. Ich hatte doch gespürt, dass etwas nicht stimmt, zum Teufel noch
mal! Und die Haustür unverschlossen zu lassen ...« Er verstummte
kopfschüttelnd.
Francesca berührte seinen Arm.
»Er hat mir ja nichts getan, Bragg.«
»Nein, das
hat er nicht, und dem Himmel sei Dank dafür.«
Francesca
stimmte ihm insgeheim zu. Als sie Bragg gerade nach seiner Meinung zu den
Artikeln in den Morgenzeitungen fragen wollte – sowohl die Sun als auch
die Tribune hatten die Morde auf der Titelseite gebracht, und der Fall
war nun ein gefundenes Fressen für die Öffentlichkeit –, kam Peter in die Diele
gelaufen. Auf seinem Rücken saß Dot und kicherte vor Vergnügen.
Francesca
blickte Peter verblüfft an, dessen Hemd aus der Hose gerutscht war und unter
seiner kurzen, schwarzen Jacke hervorschaute. Als er Francesca neben Bragg
stehen sah, blieb er abrupt stehen und errötete.
»Pi! Pi!«,
rief Dot.
Francesca eilte erschrocken auf
die beiden zu und sagte: »Ich glaube, wir sollten das Badezimmer aufsuchen,
Dot.«
Bragg folgte ihr, während Peter
Dot auf dem Boden
Weitere Kostenlose Bücher