Brenda Joyce
hatte doch behauptet, Mary nur ein einziges
Mal begegnet zu sein.
In diesem Moment drehte sich
eine Frau mit schwarzem Hut und Schleier in der Reihe vor Francesca um und
schenkte ihr ein kleines Lächeln. »Hallo«, flüsterte sie.
Es war
Maggie Kennedy. Ihre Augen waren ebenso wie ihre Nasenspitze gerötet. Offenbar
hatte sie geweint. Die beiden Frauen reichten einander zur Begrüßung die Hand.
»Ich muss nach der Messe kurz mit Ihnen sprechen«, sagte Francesca leise.
Maggie
nickte und drehte sich wieder nach vorn um.
Plötzlich
hatte Francesca das Gefühl, beobachtet zu werden. Möglicherweise hatte ihr
Flüstern während des Gottesdienstes Aufmerksamkeit erregt. Sie sah sich um und
erblickte eine Frau in einem gut geschneiderten marineblauen Mantel und einem
passenden, tief ins Gesicht gezogenen Hut, dessen Halbschleier ihre Züge
verbarg. Als die Frau zu ihr herüberschaute, erstarrte Francesca. Sie kam ihr
irgendwie bekannt vor. Doch im selben Moment wandte sich die Frau auch schon
wieder ab.
Francesca zermarterte sich den
Kopf, woher sie die Fremde wohl kannte, aber wer immer diese Frau auch war, sie
passte nicht zu der übrigen Trauergesellschaft, denn ihre Kleidung war die
einer Dame von Stand.
Francesca und Maggie blieben vor der Kirche stehen, während die
anderen Trauergäste an ihnen vorbeischritten. Es hatte zu schneien begonnen,
und wenn man den Zeitungsberichten glauben durfte, so würde im Laufe des Abends
schwerer Schneefall einsetzen. »Wie geht es Ihnen?«, fragte Francesca, während
um sie herum dicke Flocken zu Boden schwebten.
»Es geht
mir gut, danke«, erwiderte Maggie, aber sie machte ganz und gar keinen
gefassten Eindruck, und ihre Stimme klang heiser. »Vielen Dank, dass Sie sich
um die Kinder gekümmert haben«, fügte sie hinzu. »Ich hatte mir solche Sorgen
um sie gemacht.«
»Das war
doch das Mindeste, was ich tun konnte. Leider konnte ich die beiden nicht mit
zu mir nach Hause nehmen.« Sie lächelte bedauernd, fügte aber keine Erklärung
hinzu. »Maggie, ich mache mir Sorgen um Katie. Ist sie schon immer so mürrisch,
ja sogar feindselig gewesen?«
Maggie
nickte. »Sie ist schon immer etwas schwierig gewesen, aber als Mary die Arbeit
bei den Jansons annahm, da wurde sie richtig aufsässig. Mary hat mit mir
darüber gesprochen – sie hat sich solche Sorgen um sie gemacht. Offenbar
wollte Katie nich begreifen, dass Mary woanders schlafen musste. Sie fing an,
ihre Mutter und ihre Schwester zu ignorieren oder schlug vor Wut nach ihnen
und auch nach anderen. Sie verlor den Appetit und wurde immer dünner. Mary hat
sich wirklich furchtbare Sorgen gemacht. Sie hat der Kleinen sonntags, wenn
sie nach Hause kam, immer was Leckeres mitgebracht, um sie dazu zu bringen zu
essen. Was haben wir über dieses Kind geredet! Mary dachte,
Katie würde glauben, dass Mary sie und Dot verlassen wollte. Mary hat ihr immer
und immer wieder zu erklären versucht, dass sie nirgendwohin gehen würde und
jeden Sonntag nach Hause käme, aber Katie konnte oder wollte das einfach nicht
begreifen.« Maggies Augen füllten sich mit Tränen. »Jetzt kommt sie nie wieder
nach Hause, weder an diesem Sonntag noch an irgendeinem anderen«, sagte sie mit
rauer Stimme.
Francesca brachte im ersten
Moment kein Wort heraus. »Was sollen wir nur tun?«, fragte sie nach einer
Weile. »Bragg hat es gestern Abend geschafft, sie zum Essen zu bewegen ...
glaube ich zumindest.«
»Vielleicht dürfte ich einmal
kurz mit ihr sprechen? Und vielleicht darf ich die Mädchen nächsten Sonntag
einmal besuchen? Ich könnte mit ihnen und meinen eigenen Kindern in den Zoo
gehen oder irgendwas unternehmen.« Bei diesen Worten hellte sich Maggies
Gesicht ein wenig auf.
»Das ist eine ganz wundervolle
Idee«, sagte Francesca, die sich daran erinnerte, dass Maggies Sohn Paddy
ungefähr in Katies Alter war. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich auch mitkomme?«
»Aber natürlich nich, Miss
Cahill. Kommen Sie nur mit«, erwiderte Maggie.
»Hören Sie, Maggie, haben Sie
irgendjemandem erzählt, dass Sie mich gefragt haben, ob ich bei der Aufklärung
des Mordes an Mary helfen könnte?«
Die Frage schien Maggie zu
überraschen, und sie nahm sich Zeit, darüber nachzudenken, bevor sie
antwortete. »Nein, soweit ich mich erinnern kann, hab ich das nich getan«, erwiderte
sie langsam.
In diesem Moment eilte die Frau
in dem marineblauen Mantel mit gesenktem Kopf an ihnen vorbei, so dass es
unmöglich war, einen genaueren Blick auf ihr
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