Brenda Joyce
schlagen«, sagte er.
Joels Herz schlug so heftig, dass es wehtat. Er grinste den
kräftigen Polizisten unverschämt an.
Der grinste verächtlich zurück. »Ich schätze, wir können die
Anklage noch um einen kleinen Diebstahl erweitern, mein Junge«, sagte er und
schob Joel ein paar Stifte und Büroklammern in die Tasche.
Joel
starrte ihn mit wachsendem Entsetzen an. Einbruch und Diebstahl – dieses Mal
würde er wirklich im Knast landen! Der Polizist lachte, wandte sich ab und ging
davon. Joels Augen füllten sich mit Tränen. »Die werden Bridget was antun!«,
flüsterte er verzweifelt. »Bitte, ich muss mit Mr Bragg reden.« Ihm blieb keine
andere Wahl, als den etwas netteren Polypen regelrecht anzuflehen. »Sagen Sie
ihm, dass Joel Kennedy hier ist. Er will bestimmt mit mir sprechen.«
»Der
Commissioner kommt heute nicht ins Büro«, entgegnete der Polizist. Sie
näherten sich nun der Zelle mit den beiden Betrunkenen, von denen einer auf
dem Boden schlief und der andere gerade in eine Ecke pinkelte. »Hey, Artie!
Benutz den verdammten Topf, klar?«
Artie nickte mit einem albernen Grinsen, ohne sein Tun zu
unterbrechen.
Joel war verzweifelt. »Dann muss ich mit Miss Cahill reden«, sagte
er. »Bitte, Sir. Ich muss unbedingt mit Miss Cahill reden!«
Der Polizist stutzte. »Francesca Cahill? Die
Privatdetektivin?«
Joel nickte eifrig. »Sie is 'ne Freundin von mir. Und ich arbeite
für sie. Ich weiß, wo die vermissten Mädchen sind. Ich komme gerade von da,
Sir. Und darum muss ich mit Commissioner Bragg oder mit Miss Cahill reden.«
Der Mann starrte ihn an. Dann griff er nach dem Schlüsselring,
der draußen an der Zelle hing, und sagte: »Ich werde den Commissioner nicht
belästigen, wo seine Frau doch gerade im Krankenhaus liegt. Aber ich kann versuchen,
Miss Cahill eine Nachricht zukommen zu lassen. Glaub nur nicht, dass ich dir
deine Geschichte glaube«, fügte er hinzu. »Aber es kann ja nicht schaden, einen
Mann loszuschicken.«
»Sie wohnt an der Fifth Avenue, Nummer 810«, rief Joel eifrig.
Der Polizist, der gerade die Zelle aufschloss, blinzelte und sah
ihn erstaunt an. »Vielleicht sagst du ja doch die Wahrheit«, bemerkte er
nachdenklich. »Erzähl nur weiter.«
Joel betrat die Zelle und umklammerte die Gitterstäbe. »Sehen Sie
nur zu, dass Sie Miss Cahill finden«, sagte er. Die Tür fiel zu, und der
Schlüssel drehte sich im Schloss.
Sie waren alle da, genau wie er es erwartet hatte. Hart stand auf der
Schwelle des Krankenhauszimmers. Bragg saß zusammengesunken in dem Sessel, der
Leigh Annes Bett am nächsten stand, und obgleich er ihre Hand hielt, schien er
zu schlafen. Grace saß neben ihm. Rathe stand am Fenster und starrte hinaus,
und Rourke hatte auf einem Stuhl am Fußende des Bettes Platz genommen und
blätterte in einer Ausgabe von Harper's Weekly. Die Tragödie forderte
ihren Tribut: Grace wirkte blass und erschöpft, Rathe war unrasiert und machte
ebenso wie Rourke einen abgespannten Eindruck. Und sein Halbbruder glich eher
einem Gespenst als einem lebenden Wesen.
Mitleid regte sich in ihm, doch Hart schob es beiseite. Er
weigerte sich, einen Mann zu bedauern, der Francescas Herz so sorglos in seinen
Händen hielt.
»Möchte jemand eine kleine Erfrischung?« Nicholas D'Archand
tauchte neben Calder auf, ein Tablett mit Kaffeebechern und Gebäck in den
Händen. »Hallo, Calder.« Sein Lächeln verwandelte sich in eine Grimasse.
Alle zuckten zusammen und wandten sich zu ihm
um – alle außer Rick, der aufwachte, gähnte und sich das Gesicht rieb. Nick
betrat das Zimmer, setzte das Tablett auf einem Wägelchen ab und teilte Kaffee
aus wie ein Soldat, der seinen Dienst auf dem Schlachtfeld versieht. Hart
verharrte noch immer an der Türschwelle. Er starrte wieder auf die hängenden
Schultern seines Bruders. Rick hatte sich vorgebeugt und strich Leigh Anne
gerade ein paar Haarsträhnen hinter das Ohr. Als Hart sie ansah, vermochte er
sein Mitleid nicht länger zu unterdrücken, denn sie schien mehr tot als
lebendig.
Rourke trat auf ihn zu. »Das wurde aber auch langsam Zeit«,
bemerkte er trocken.
Hart sah ihn an. »Gibt es gute Neuigkeiten?«
Rourke zögerte und begegnete seinem Blick. »Ich fürchte, nein.«
Damit war also der Moment der Wahrheit gekommen – für Francesca
und auch für ihn selbst.
Und Rourke wusste das. Er drückte Harts Arm.
»Tut mir leid. Danke, dass du gekommen bist, Calder«, sagte er leise.
Nun, da er sich bewusst war, dass das Ende nahte –
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