Brenda Joyce
Francesca erstarrte. War dies
etwa ein Annäherungsversuch? Ihr Blick fiel auf die Handtasche auf der Kommode.
Darin steckte das Betäubungsmittel, das sie von Daisy bekommen hatte.
Dawn ließ sich lächelnd wieder auf das Sofa
sinken, diesmal noch dichter neben Francesca als zuvor. »Lecker«, sagte sie.
Francesca nahm hastig einen Schluck. »Womit darf ich heute Nacht
rechnen? Mit einem spanischen Prinzen?« Sie lachte. Selbst in ihren eigenen
Ohren klang es nervös.
Dawn musterte sie. »Im Grunde
mit allem. Madame hat dir ja sicherlich erzählt, dass du um Hilfe rufen kannst,
wenn es allzu rauh zugeht. Aber die meisten Männer hier sind nicht an Gewalt
interessiert. Sie bevorzugen Perversionen.«
»Perversionen?«, fragte
Francesca besorgt.
»Ein Mann wollte, dass ich es vor seinen Augen mit einem Hund
treibe«, erzählte Dawn lächelnd.
Francesca erschrak bis ins Mark. Sie trank hastig von ihrem Wein,
wobei sie aufpassen musste, dass sie sich nicht daran verschluckte.
»Er hat eine Deutsche Dogge mitgebracht«, erzählte Dawn lachend.
»Das war wirklich seltsam.«
Francesca schluckte und tat einen tiefen Atemzug. »Oh, Hunde waren
in London auch sehr beliebt«, zwang sie sich zu erwidern.
»Aber Pussis sind niedlicher«, schnurrte Dawn und warf ihr einen
Blick zu. »Dafür brauchen wir auch keinen Mann.«
Francescas Gedanken überschlugen sich. Wieso redete Dawn denn
plötzlich von Kätzchen? »Ja, die sind süß«, stimmte Francesca ihr zu.
Dawn schaute sie an, und es lag etwas in ihrem Blick, das keinen
Zweifel an ihrer Absicht ließ. Sie erhob sich und sagte zu Francesca: »Ich will
mit dir schlafen – nur so, zum Vergnügen ... nur für uns zwei. Nicht damit uns
irgendein fetter, alter Mistkerl mit stinkendem Atem dabei zusehen kann.«
Francesca stand ebenfalls auf. »Ist das denn erlaubt?«, brachte
sie heraus.
Dawn zuckte mit den Schultern. »Solange zieht
es vor, dass wir mit unseren Körpern Geld verdienen, aber sie muss ja nichts
davon erfahren. Allerdings habe ich heute Abend einen Freier, der uns gern
zusehen würde, Emerald. Falls du Angst vor Solange haben solltest«, fügte sie
listig hinzu. Geschah das alles wirklich? »Ja, natürlich«, hauchte Francesca.
Insgeheim überlegte sie fieberhaft, wie sie aus dieser misslichen Lage
herauskommen konnte. Die Flucht durch die Eingangstür schien ihr die beste
Altnative zu sein. Dawn packte sie am Arm. »Du hast so etwas noch nie gemacht,
stimmt's?«, fragte sie ruhig. Ihr Gesicht war jetzt sehr ernst geworden, und
ihre dunklen Augen durchbohrten Francesca.
Francesca blinzelte. »Aber natürlich habe ich
...«
»Du bist noch Jungfrau und eine feine Dame dazu, nicht wahr?«,
fiel Dawn ihr ins Wort, immer noch ruhig. Sie ließ sie nicht aus den Augen.
Francesca vermochte sie nur anzustarren. Und dann wanderte ihr
Blick zur Tür. Sie war geschlossen.
»Wieso bist du hier?«, fragte Dawn. Doch sie
schien nicht wütend zu sein. Misstrauisch und wachsam, aber nicht wütend.
Francesca schluckte schwer und ergriff ihre
Hand. Sie konnte kaum glauben, dass sie sich derart kühn benahm, aber wenn sich
Dawn zu ihr hingezogen fühlte, musste sie sich das um der Kinder willen zunutze
machen. »Ich bin Privatdetektivin«, sagte sie, »und ich bitte dich, mir zu helfen.«
Dawn schaute ihr in die Augen, dann wanderte ihr Blick zu ihren
verschränkten Händen hinunter. Francesca wartete voller Angst ab, was geschehen
würde. Endlich sah Dawn wieder auf und der Griff ihrer Hand wurde fester.
»Erzähl mir, warum du hier bist. Vielleicht lasse ich mich ja überreden, dir
behilflich zu sein.« Und dann schenkte sie Francesca ein kleines Lächeln, ehe
sie ihre Hand wegzog.
Kapitel 19
SONTAG, 31. MÄRZ 1902 – 17:00 UHR
Die Wunde
hatte wieder angefangen zu bluten. Außerdem hatte er rasende Kopfschmerzen.
Joel war seit seiner Flucht aus dem trügerisch hübschen Backsteinhaus, in dem
er und Bridget gefangen gehalten worden waren, nur gerannt. Nun jedoch
schleppte er sich nur noch hinkend vorwärts und rang mühsam nach Luft. Er
musste sich wohl bei dem Sprung den Knöchel verstaucht haben. Sein Kopf fühlte
sich an, als schlüge jemand unablässig mit einem Hammer von innen gegen seine
Schädeldecke. Aber Mulberry Bend war nur noch eine Straßenecke entfernt. Er hatte es geschafft. Nur
dass er Bridget an diesem entsetzlichen Ort mit den beiden Schurken hatte
zurücklassen müssen. Joels erster Gedanke war gewesen, ins Villenviertel zu
fahren, um Miss
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