Brenda Joyce
ein
schreckliches Missverständnis vor«, behauptete sie lächelnd.
»Tatsächlich?«, entgegnete Solange freundlich.
»Ich bin nur kurz hinausgegangen. Mr Hart war ausgesprochen
leidenschaftlich, und ich wollte vor meinem nächsten Freier rasch etwas Luft
schnappen.« Francesca lächelte wieder.
Solange sah einen der beiden Kerle an, die hinter Francesca
standen, und nickte ihm zu.
Francesca sah sich unbehaglich um. Im selben Moment versetzte der
Mann ihr einen so heftigen Schlag ins Gesicht, dass sie aufschrie. Rasender
Schmerz durchfuhr sie, und sie befürchtete, er habe ihr womöglich den
Wangenknochen gebrochen.
»Ich hasse Lügner«, sagte Solange gelassen.
Francesca war vor Angst und Schmerz wie gelähmt. Langsam richtete
sie sich auf und sah in die kalten, hellgrauen Augen der Bordellbetreiberin.
»Mein Name ist Francesca Cahill«, begann sie und sah einen Ausdruck des
Triumphes in den Augen ihres Gegenübers aufblitzen, »und ich bin Privatdetektivin.
Sie betreiben Kinderprostitution, Madame Marceaux, und ich werde dafür sorgen,
dass Sie für Ihre dreisten, schamlosen Verbrechen Ihrer gerechten Strafe zugeführt
werden.«
Solange erhob sich.
Francesca versuchte sich einzureden, sie habe keinen Grund zur
Furcht – Solange war nur eine Frau und eine Hure noch dazu.
Solange kam hinter ihrem Schreibtisch hervor.
Francesca verzog das Gesicht und machte sich auf einen sehr
unangenehmen Zusammenstoß gefasst.
Solange schlug sie ein weiteres Mal auf
dieselbe Wange, wobei ihr Türkisring durch die Haut schnitt. »Du Miststück«,
zischte sie und starrte Francesca mit unverhohlenem Hass an. »Ich wusste vom
ersten Moment an, dass du eine Betrügerin bist.«
Francesca kämpfte gegen die Tränen an, die ihr vor Schmerz in die
Augen schossen. »Wenigstens bin ich keine Dirne.« Solange schlug sie nicht
wieder, aber Francesca schreckte dennoch zurück, da sie einen weiteren Schlag
erwartet hatte. Die Madame lächelte und sah die beiden Schurken hinter
Francesca an. »Nehmt sie mit und treibt es mit ihr, wie ihr es mit der
billigsten Hure tun würdet, und wenn ihr fertig seid, seht zu, dass ihr sie
loswerdet. Werft die Leiche in den Fluss. Ich will nicht, dass sie jemals
gefunden wird.«
Kalte Angst erfasste Francesca – was sollte sie nur tun? Doch ehe
sie Gelegenheit hatte, darüber nachzudenken und sich etwas einfallen zu lassen,
wurde sie am Arm gepackt. Francesca zögerte keine Sekunde. Sie sprang auf,
griff nach der Pistole zwischen ihren Beinen und richtete sie auf Solange.
»Daraus wird nichts«, sagte sie.
Solange erstarrte. Dann sagte sie mit ruhiger Stimme: »Nimm ihr
die Waffe ab, George.«
Francesca fuhr herum, sah, wie George sich auf sie stürzte, und
drückte ab. Er ächzte, dann riss er sie mit sich zu Boden. Francesca landete
auf dem Rücken, George auf ihr. Gott, der Kerl wog eine Tonne!
Ihre Blicke begegneten sich. »Du kleines Luder«, keuchte er, und
sie erkannte an seinen Augen, dass er Schmerzen litt. Seine Hände legten sich
um ihre Kehle.
Francesca wimmerte, presste die Pistole an seine Brust und schoss
erneut.
Er starrte sie einen Moment lang mit weit aufgerissenen Augen an
und brach zusammen.
Sie versuchte hektisch, sich von der Last seines nun leblosen
Körpers zu befreien. Im selben Moment wurde die abgeschlossene Tür aus den
Angeln gerissen. Das musste Hart sein. »Calder!«, rief Francesca.
Während sie sich noch abmühte, unter dem riesigen Schurken
hervorzukriechen, hörte sie, wie ein schwerer Gegenstand krachend zu Boden
ging. Gleich darauf rief Hart: »Bist du verletzt?«
Francesca verharrte für einen Moment auf den Knien und blickte
auf. Hart stand neben einem umgestürzten Bücherregal, der andere Schurke lag
am Boden und versuchte, sich gerade aufzurappeln. »Mir geht es gut«, flüsterte
sie. Dann fiel ihr Blick auf Rachael und Dawn, die Hand in Hand im Türrahmen
standen. Gleich darauf rannten sie davon, und im selben Moment hörte Francesca,
wie Solange sich hinter ihr bewegte.
Sie drehte sich um, während sich der Schurke
auf Hart stürzte. Solange war wieder hinter ihren Schreibtisch getreten und
öffnete gerade eine Schublade. Ob sie wohl eine Waffe besaß? Francesca hielt
immer noch ihre eigene umklammert. Sie sprang auf und richtete die Pistole auf
die Bordellwirtin. »Hände hoch, Solange«, sagte sie warnend. Solange verharrte
und blickte langsam auf.
Hinter Francesca splitterte Holz.
Sie wandte sich halb um. Mit großen Augen sah sie zu, wie
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