Brenda Joyce
Tür auf. »Entschuldigen Sie«, sagte er zu Eliza Smith und
schritt an ihr vorbei in die Wohnung.
»Ich hab gesagt, Sie sollen sich
davonscheren«, blaffte Tom Smith, der sehr wütend zu sein schien. Und außerdem
betrunken.
»Ich bin der Commissioner der New Yorker Polizei«, sagte Bragg. »Wir
möchten Ihnen und Ihrer Frau ein paar Fragen stellen, also setzen Sie sich.«
Tom
erstarrte.
Eliza wich zurück, bis sie mit dem Rücken zur
Wand stand.
Tom drehte sich zu seiner Frau
um. »Du bist zur Polizei gegangen?«, fragte er in ungläubigem, aufgebrachtem
Ton.
Sie schrak zusammen und nickte kaum merklich.
»Es ist doch wohl nicht ungewöhnlich, zur Polizei zu gehen, wenn
ein Familienmitglied vermisst wird«, mischte sich Bragg ein.
»Sie wird ja nicht vermisst. Meine Frau
spinnt! Die Kleine is bei ihrer Tante, damit sie in der Innenstadt in 'nem feinen
Haus für 'ne feine Dame arbeiten kann.« Er warf seiner Frau einen drohenden
Blick zu.
»Tut mir leid«, flüsterte Eliza Tom zu. »Ich hab 'nen Fehler
gemacht.« An Bragg gewandt, wiederholte sie: »Ich hab 'nen Fehler gemacht, Sir.
Ja, das hab ich.«
Francesca erkannte, dass hier etwas nicht
stimmte. Tom war ein Trunkenbold und ein Rüpel und seine Frau hatte augenscheinlich
schreckliche Angst vor ihm. Francescas Instinkt sagte ihr, dass Deborah Smith nicht
in die Innenstadt gezogen war, um als Hausmädchen zu arbeiten. »Und wo wohnt
diese Tante, Mr Smith?«, fragte sie, um einen neutralen Tonfall bemüht.
»Geht Sie
einen feuchten Kehricht an«, versetzte Tom verächtlich.
»Sie wohnt an der Twenty-second Street, zwischen First und Second
Avenue«, flüsterte Eliza verzweifelt.
Tom bewegte sich so schnell, dass es unmöglich war, ihn
aufzuhalten. »Du dummes Luder!«, brüllte er und versetzte seiner Frau einen
schallenden Schlag ins Gesicht.
Eliza sank an der Wand zusammen. Francesca
konnte sie gerade noch auffangen, bevor sie zu Boden stürzte. Dabei fühlte sie,
wie zierlich die andere Frau war. Sie zitterte ganz furchtbar, und als sie den
Kopf hob, sah Francesca, dass ihr Blut aus der Nase lief. Elizas Augen sprachen
Bände; sie sagten: Bitte helfen Sie mir!
Bragg reagierte ebenso schnell. Bevor Tom
wusste, wie ihm geschah, hatte der Commissioner ihn im Würgegriff und drückte
ihn an die gegenüberliegende Wand. »Ihnen hat wohl nie jemand beigebracht, dass
man keine Damen schlägt.«
Toms Augen traten aus den Höhlen und er stieß
mit großer Mühe hervor: »Die is doch keine Dame. Das wissen wir beide.«
Bragg verstärkte seinen Griff. »Sie sind verhaftet«, sagte er. Tom
wollte noch etwas sagen, begann jedoch stattdessen zu würgen.
Eliza schrie auf.
Bragg ließ von Tom ab, der wesentlich größer
war als er selbst, und stieß ihn zu Boden. Als der Mann auf Händen und Knien
landete, stellte Bragg ihm den Fuß ins Kreuz. Tom hustete. »Sie können mich
nicht verhaften. Ich hab nix Böses getan.«
»Körperverletzung
ist eine Straftat.«
Tom begann so heftig und drastisch zu fluchen,
dass Francesca das Blut in die Wangen schoss. Sie sah Eliza an. »Wir sollten
Ihre Nase mit etwas Eis kühlen.«
»Die is nicht gebrochen«, flüsterte Eliza und begann lautlos zu
weinen. »Es geht schon. Wirklich.« Sie hielt ihre Faust an die Nase, um die
Blutung zu stoppen.
»Lassen Sie mich etwas Eis holen«, drängte Francesca sie
freundlich. Sie verstand nicht, wie diese Frau mit einem solchen Mann zusammenleben
konnte.
»Nein«, sagte Eliza mit überraschend scharfer Stimme. Dann wandte
sie sich bittend an Bragg. »Er hat mir ja nix getan, Sir. Wirklich nicht.
Bitte. Verhaften Sie ihn nicht. Er is 'n guter Mann. Das liegt bloß am Whiskey.
Bitte.«
Francesca schloss verzweifelt die Augen. Sie
begriff nur zu gut, was hier vor sich ging. Bragg konnte Tom Smith ohne
weiteres verhaften, aber für wie lange? Und wenn der Mann wieder nach Hause
kam, würde er die Wut über seine Verhaftung ganz gewiss an seiner Frau auslassen.
Bragg blickte von Eliza zu Francesca. Als sie ihn wortlos anflehte,
nichts weiter zu unternehmen, nahm er schließlich zähneknirschend den Fuß von
Toms Rücken. Der Mann stöhnte und machte keine Anstalten, aufzustehen.
Bragg ging neben ihm in die Hocke. »Wenn Sie
Ihre Frau noch einmal schlagen, werde ich Sie in eine Zelle sperren und den
Schlüssel wegwerfen. Haben Sie mich verstanden?«, fragte er sehr leise.
Tom
nickte.
Bragg richtete sich wieder auf. »Wir werden Deborah Smiths Tante
einen Besuch abstatten. Ist sie
Weitere Kostenlose Bücher