Brenda Joyce
wohl davon ausgehen.«
»Und falls nicht, werden sie noch befragt werden, denn schließlich
beschäftigt sich die Polizei jetzt offiziell mit diesem Fall«, sagte Bragg.
Sie sah von den Unterlagen auf und sagte mit leiser Stimme: »Dafür
danke ich dir, Rick.«
Sein Blick wanderte langsam über ihr Gesicht, als könne er nicht
genug davon bekommen, sie anzusehen, und er erwiderte ebenso leise: »Es wird
niemals wieder so sein, wie es einmal war, oder? Wenn du mich Rick nennst,
vermag ich an nichts anderes mehr zu denken.«
Francesca sah sich nach Shea um, doch der war beiseitegetreten
und beschäftigte sich mit einem Dokument, das ihm gerade einer der
Büroangestellten gereicht hatte. Falls er sie gehört hatte, so ließ er es sich
nicht anmerken. »Ich weiß auch nicht, warum ich dich Rick genannt habe, es ist
mir einfach so herausgerutscht.«
Sein Blick ruhte für einen Moment auf ihrem Mund, dann richtete er
ihn hastig wieder auf ihre Augen. »Ich werde Farr bitten, einen Detective mit
dem Fall zu betrauen.«
»Das wäre wunderbar«, gab Francesca zurück, ohne es wirklich zu
meinen. Sie verspürte nicht den Wunsch nach einem Partner, der Farr unterstellt war. Bedeutete das etwa, dass Bragg
nicht beabsichtigte, den Fall mit ihr zusammen zu bearbeiten? Das machte sie
unglaublich traurig. O Gott, war es
womöglich ein riesiger Fehler gewesen, Harts Heiratsantrag anzunehmen?
Sie blätterte vier weitere Berichte durch. »Hier!«, rief sie aufgeregt. »Emily
O'Hare. Vermisst gemeldet am vorigen Montag.« Doch ihre Aufregung ließ schnell
wieder nach. »Bragg, hier steht nichts, was wir nicht schon wissen. Wer leitet
diese Abteilung?«
»Es gibt dafür keine eigene Abteilung«,
erwiderte Bragg. »Die Fälle werden weitergereicht. Die meisten dieser vermissten
Personen sind ohnehin aus eigenem Antrieb verschwunden – Kinder, die von zu
Hause ausgerissen sind, Ehemänner oder auch Ehefrauen, die ihre Familien verlassen.
Schlimmstenfalls handelt es sich um Mordopfer. Ein Großteil der Vermisstenfälle
wird daher letztlich von der Mordkommission aufgeklärt.«
»In dieser Anzeige wird nicht erwähnt, wer sie aufgenommen hat.
Niemand hat sie unterschrieben, Bragg.«
Er nahm ihr das Blatt aus der Hand, warf einen Blick darauf und
sagte: »Das muss ein Versehen sein. Captain Shea? Ist Newman an seinem
Schreibtisch?«
Shea gesellte sich wieder zu ihnen. »Nein, Sir. Er ist im Einsatz.
Ein Gentleman wurde ermordet, Sir. Seine Leiche wurde heute bei Tagesanbruch im
Keller einer alten Dame gefunden.«
»Schicken Sie Newman zu mir, sobald er zurück ist.« Bragg wandte
sich wieder Francesca zu. »Wie sieht Ihr nächster Schritt aus?«
»Ich glaube, ich werde zunächst einmal in das Viertel zurückkehren,
von Tür zu Tür gehen und die Nachbarn befragen. Irgendjemand muss etwas
gesehen haben. Außerdem möchte ich mich mit Mrs Sarnoff, Mrs Polaski und Mrs
O'Brien unterhalten.«
Er lächelte. »Schmitts montägliche Stammkundinnen. Ein ganzes
Viertel zu befragen, dürfte allerdings eine Weile dauern. Ich habe heute
Mittag eine wichtige Sitzung, könnte Ihnen aber für eine gute Stunde
behilflich sein.«
Francesca reagierte zunächst überrascht und dann erfreut. Lächelnd
sagte sie: »Ihre Hilfe ist mir sehr willkommen. Wie könnte ich ein solches
Angebot ablehnen.«
Daraufhin schenkte er ihr ebenfalls ein Lächeln, das so echt und
herzlich war, dass sie darüber alles andere vergaß. »Ich werde einige Männer
zusammentrommeln, die uns unterstützen. Shea, besorgen Sie mir ein paar
Neulinge – sagen wir ein halbes Dutzend Männer.«
Shea eilte
davon.
Francesca
schob den kleinen Stapel mit den Vermisstenanzeigen beiseite, dann zögerte
sie. Eine Idee geisterte ihr durch den Kopf, doch sie vermochte sie nicht zu
fassen. Sie starrte auf die Blätter hinunter.
Es gab doch nichts Neues oder Bedeutsames in Emilys Vermisstenanzeige, oder?
Aus einem Impuls heraus zog sie den Stapel wieder zu sich heran.
»Was ist?«, erkundigte sich Bragg.
»Ich weiß selbst nicht recht«, erwiderte sie, während sich die
kleinen Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. Sie suchte noch einmal Emilys
Anzeige heraus und las sie erneut gründlich durch. Nein, hier war nichts Neues
zu finden. Sie starrte nachdenklich den Stapel mit den Formularen an. Es gab wirklich keinen Grund, diese Anzeigen
durchzugehen.
Doch sie verspürte den Drang dazu, auch wenn sie keine Ahnung
hatte, wonach sie eigentlich suchte. Und als sie sie noch einmal
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