Brenda Joyce
ließ Francesca sich von ihr an der Hand den Flur entlang zu
ihrem Atelier ziehen, das sich im Erdgeschoss im hinteren Teil des Hauses befand.
»Das wäre so, als wollte ich meiner Mutter erklären, dass ich von Beruf
Privatdetektivin bin und keine Zeit für einen Ehemann habe.«
»Ja, da magst du recht haben.« Sarah hob Francescas Hand und
bewunderte ihren Ring. »Wie wundervoll! Ich habe es kommen sehen!«
»Ach ja?« Francesca blieb vor der geöffneten
Tür zu Sarahs Atelier stehen, das aufgrund der späten Stunde teilweise
künstlich beleuchtet war. Sarah malte bevorzugt Porträts von Frauen und
Kindern, und an den Wänden hing ein Bild neben dem anderen, manche davon noch
unvollendet. Mehrere Staffeleien standen im Raum verteilt, und auf zweien befanden
sich Leinwände. Francesca fand Sarahs Malerei brillant. Sie war ganz
offensichtlich von den Impressionisten beeinflusst, ihr Stil war aber dennoch als
klassisch einzuordnen.
»Ach, Francesca, wenn ein Mann darauf besteht, ein Porträt von dir
besitzen zu wollen, dann gibt es nicht mehr viel zu rätseln, nicht wahr?«
Francesca war insgeheim wider Willen
entzückt. »Calder hat doch nur auf diesem Porträt bestanden, um mich zu ärgern,
wir hatten uns zu der Zeit nämlich gerade gestritten.«
Sarah warf ihr einen ungläubigen Blick zu. »Ach, ich bitte dich.
Und warum hast du dann die Stadt verlassen? Gab es wirklich eine kränkelnde
Freundin?«
»Ich musste allein sein, um über einiges nachzudenken«, erwiderte
Francesca.
»Das habe ich mir schon gedacht.« Sarah
drückte ihre Hand. »Aber jetzt bist du ja wieder da, und darüber freue ich mich
– nicht nur wegen des Porträts.«
»Ich freue
mich auch, wieder hier zu sein«, stimmte Francesca zu. Sie meinte es ehrlich –
es tat gut, wieder zu Hause zu sein, und außerdem hätte sie sonst nicht an diesem
neuen Fall arbeiten können, bei dem das Schicksal mehrerer Kinder auf dem Spiel
stand. »Und ich bin froh, dass du dich offenbar von den Strapazen der letzten
Zeit erholt hast«, setzte sie hinzu. Sie spielte damit auf die Tatsache an,
dass Sarah erst kürzlich beinahe das Opfer eines Mörders geworden wäre.
Sarahs Augen weiteten sich. »O ja, ich habe mich ganz wunderbar
erholt. Gott sei Dank ist diese schreckliche Angelegenheit abgeschlossen.
Ehrlich gesagt, denke ich kaum noch daran!«
Bei diesen Worten wurde ihre Stimme verdächtig hoch.
Zugleich
lag ein Ausdruck in ihren Augen, der Francesca erschrecken ließ und ihr zu erkennen
gab, dass Sarah immer noch nicht ganz über dieses Trauma hinweg war, das sie
beinahe das Leben gekostet hätte. Francesca fasste sie am Arm. »Ist Rourke
noch in der Stadt?«, erkundigte sie sich. Rourke Bragg, Ricks jüngerer Bruder,
der in Philadelphia Medizin studierte, hatte sich bei ihrem letzten Fall als
ausgesprochen hilfreich erwiesen.
»Rourke ist vor einem Monat abgereist. Seitdem
habe ich nichts mehr von ihm gehört«, antwortete Sarah forsch, wobei sie
jedoch Francescas Blick auswich.
Francesca sah sie nachdenklich an. Rourke
glich seinem Bruder und seinem Vater sehr. Er war überaus attraktiv mit seinen
bernsteinfarbenen Augen unter den dunklen Brauen, den hellbraunen Haaren und
dem Grübchen am Kinn. Manchmal sah er Bragg so ähnlich, dass er sein Zwilling
hätte sein können, dabei waren die beiden lediglich Halbbrüder. Rourke war im
Verlauf der letzten Ermittlung sehr sanft und freundlich mit Sarah umgegangen,
hatte ihr sogar an dem Tag, als sie hier in diesem Haus überfallen worden war,
das Leben gerettet. Francesca hatte damals den Eindruck gehabt, dass Rourke
sich zu Sarah hingezogen fühlte. »Er wird sicher von sich hören lassen, wenn er
das nächste Mal in der Stadt ist«, sagte sie.
Sarah zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Wieso sollte er? Er hat sein Studium noch nicht beendet und ist nicht mein
Arzt.«
»Aber ist
er nicht ein Freund?«
Sarah wurde
rot. »Ich weiß nicht, was er ist, Francesca.
Warum hast du überhaupt die Sprache auf ihn gebracht? Um mich zu
ärgern? Es wartet Arbeit auf uns! Hast du jetzt Zeit, mir Modell zu sitzen?«
Francesca zögerte. Sarahs ungewöhnlich heftige
Reaktion auf eine harmlose Bemerkung über Rourke Bragg erstaunte sie. »Es war
durchaus nicht meine Absicht, dich zu ärgern, Sarah«, sagte sie leise.
»Ja, ich weiß«, erwiderte Sarah, immer noch
mit geröteten Wangen. »Es tut mir leid. Es liegt nicht an dir, sondern an ihm.
Ich weiß, dass ich sehr krank war und er mich in jener Nacht
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