Brenda Joyce
Luft.
Als ihm klar wurde, was er da gesagt hatte,
streckte er die Arme nach ihr aus, aber sie wandte sich heftig ab. »Lass mich!«, rief sie.
»Es tut mir leid. Ich habe es nicht so
gemeint.«
Sie starrte ihn zutiefst schockiert an und
entgegnete: »Doch, das hast du. Und nicht zum ersten Mal. Aber du hast natürlich
recht.« Sie zitterte und atmete tief ein, um sich zu beruhigen. »Ich habe mir
in einer Weise Gedanken über dein Privatleben
gemacht, wie es mir nicht zusteht. Denn du bist verheiratet und wir sind nur
Freunde.«
»Francesca.«
Sie kehrte
ihm den Rücken und stieg in sein Automobil.
Sarah Channing
lebte bei ihrer Mutter, einer reichen Witwe, auf der West Side – in einer
Gegend, die von den New Yorkern auch gern als »Dakota« bezeichnet wurde, weil
sie Welten von der übrigen Stadt entfernt war, trostlos und öde. Die erst
kürzlich im gotischen Stil erbaute Villa war riesig und das einzige Gebäude
weit und breit. Die umliegenden Grundstücke waren leer oder allenfalls mit grob
gezimmerten Verschlägen bebaut, in denen illegale Siedler hausten. Francesca
hatte immer das Gefühl, in ein fremdes Land zu reisen, wenn sie die West Side
besuchte.
Der Türsteher der Channings war auf
Francescas Klopfen hin rasch zur Stelle, und gleich darauf fand sie sich in
einer düsteren Eingangshalle mit hoher Decke und glänzendem Eichenholzboden
wieder. Tierköpfe zierten die Wände, denn Sarahs Vater, Richard Wyeth Channing,
war ein begeisterter Jäger gewesen und hatte von seinen zahlreichen Jagden in
Afrika, Indien, Russland und Europa eine Sammlung von Tiertrophäen
mitgebracht. Während Francesca auf Sarah wartete, versuchte sie Bragg zu
vergessen, und ihre Gedanken wanderten rasch wieder zu Hart. Er war inzwischen
wahrscheinlich schon zu dem Gespräch mit ihrem Vater erschienen, das letztlich
über ihr Schicksal entscheiden würde.
Ihr Herz vollführte einen Hüpfer, doch bevor
sie Gelegenheit hatte, weiter darüber nachzudenken, erschien am hinteren Ende
der Eingangshalle Sarah, eine winzige Gestalt in einem viel zu weiten,
tristen grauen Kleid, das mit alten Flecken in allen erdenklichen Farben
übersät war. Sarah lächelte, dass ihr kleines Gesicht strahlte. Die meisten
Menschen hielten Sarah mit ihrem hellbraunen Haar, den dunklen Augen und der
unscheinbaren Figur für ein Mauerblümchen, in Francescas Augen jedoch wurde sie
immer hübscher, je besser sie sie kennenlernte. Und nun, da Sarah aufgeregt
war und Locken ihres langen Haars ihr ins Gesicht fielen, sah sie trotz des
hässlichen Kleides einfach wunderschön aus. Das Schönste an ihr jedoch war ihr
freier Geist!
»Francesca!« Sarah eilte auf sie zu, und die beiden Frauen
umarmten sich. »Hart hat mir eine Nachricht zukommen lassen, dass du
zurückgekehrt bist. Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht!«
Francesca bemerkte einen ocker- und einen rostbraunen Farbklecks
in Sarahs Gesicht. »Es geht mir gut. Aber wie geht es dir?«
»Wunderbar«, entgegnete die junge Frau strahlend. »Weißt du schon,
dass Evan vor gut zwei Wochen unsere Verlobung gelöst hat?«
Sarah schien hocherfreut darüber zu sein. »Das war das Erste, was
ich bei meiner Rückkehr erfahren habe«, erwiderte
Francesca.
»Bitte sei nicht böse, dass ich so glücklich bin. Aber du weißt
doch, ich wollte nie heiraten. Außerdem ist Evan ja in Bartolla vernarrt.«
Francesca musste ihre Freundin einfach noch einmal umarmen. »Es
war wirklich eine unpassende Verbindung. Ist er tatsächlich so oft mit Bartolla
zusammen, wie sie mich heute Mittag bei einem Lunch glauben machen wollte?«
»Die beiden sind mittlerweile
ganz offensichtlich ein Liebespaar. Ich vermute, sie ist jede Nacht mit ihm
zusammen.« Sarah lächelte selig. »Vielleicht gibt es ja schon bald eine neue
Verlobung.«
Francesca war der gleichen Ansicht. »Wie hat deine Mutter die
Sache aufgenommen?«
»Gar nicht gut! Es ist schier unmöglich, ihr begreiflich zu
machen, dass es eine gänzlich unpassende Heirat gewesen wäre. Sie hat sich für eine volle Woche in ihre Räumlichkeiten
zurückgezogen und abwechselnd geweint und geschmollt. Und auch jetzt noch
verlässt sie augenblicklich den Raum, wenn der Name Cahill fällt. Sie hört
einfach nicht zu, wenn ich ihr zu erklären versuche, dass ich ja bereits
verheiratet bin – mit meiner Kunst. Bartolla und ich sind übereingekommen, ihr
nichts davon zu erzählen, dass Evan ihr den Hof macht.«
Sarah war in vielerlei Hinsicht eine
verwandte Seele. Lachend
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