Brenda Joyce
gepflegt hat, als
ich dieses schreckliche Fieber hatte, und ich weiß auch, dass er mich bei
diesem furchtbaren Überfall gerettet hat, aber ich habe mich bei ihm bedankt
und das muss genügen. Ich kann ihn nicht leiden, Francesca, und dabei sollten
wir es belassen. Hast du nun Zeit, für eine Zeichnung zu posieren?« Sie
lächelte, offenbar entschlossen, das Thema Rourke damit zu beenden.
Francesca war sich bewusst, soeben den Rauch eines schwelenden
Feuers gesehen zu haben, und sie lächelte in sich hinein. Mochte Sarah doch
denken, was sie wollte.
Das
Posieren erforderte, dass sie sich aus- und wieder ankleidete, was insgesamt
ungefähr vierzig Minuten in Anspruch nehmen würde. Aber der Tag neigte sich
bereits dem Ende zu, und der morgige versprach nicht weniger ereignisreich zu
werden. »Weißt du, ich glaube ...« Sie verstummte. Sie war ein paar Schritte
ins Atelier hineingegangen, und ihr Blick war auf eine der Leinwände auf einer
Staffelei gefallen. Bei dem Werk handelte es sich ganz offensichtlich um ein
unvollendetes Porträt von Calder Hart.
Wenn sie dieses Bildnis anschaute, kam es ihr vor, als sähe sie
ihn leibhaftig vor sich – es war atemberaubend, und sie spürte, wie seine
Gegenwart sie umfing, ganz so, als sei er im Raum anwesend.
Sarah trat hinter sie. »Ich konnte nicht
anders. Er ist schließlich mein Mentor, und es erschien mir einfach richtig.
Ich war derart inspiriert, dass es beinahe schon fertig ist. Gefällt es dir?
Ich hatte große Schwierigkeiten mit seinem Gesichtsausdruck, seinen Augen. Da
ist eine solche Selbstsicherheit und Süffisanz, aber es liegt auch eine Verletzlichkeit
darin, die unglaublich schwer einzufangen ist. Ich habe es immer noch nicht
ganz getroffen, oder?«
Francesca schlang die Arme um sich. War sie
etwa im Begriff, sich in den Mann zu verlieben? Und hegte Sarah womöglich
ebenfalls Gefühle für ihn? Das Porträt zeigte den Hart, den die Gesellschaft
kannte und so oft ablehnte. Den Hart, der fähig war, einen Raum zu betreten,
alle Anwesenden vor den Kopf zu stoßen und darüber auch noch zu lachen. Den
Hart, der sich keinen Deut um die Gesellschaft und ihre Regeln scherte. Sarah
hatte Harts eigenwilligen Geist, seine Selbstsicherheit, seine Gleichgültigkeit
gegen das Urteil anderer, seine Aura der Macht und des Reichtums perfekt
eingefangen. Die Verletzlichkeit jedoch, die ein wesentlicher Teil von ihm war,
hatte sie nicht getroffen. Francesca war sich darüber im Klaren, dass nur
wenige überhaupt in der Lage waren, diese schwache Seite an ihm zu erkennen.
Dennoch überraschte es sie nicht, dass Sarah sie gesehen und so gut verstanden
hatte. »Nein, noch nicht ganz. Aber du bist nahe dran. Hat er das Bild schon
gesehen?«
»O nein!
Ich habe furchtbare Angst, es ihm zu zeigen. Wahrscheinlich werde ich es
niemals tun!«, rief sie nervös.
Francesca legte ihr die Hand auf den Arm. »Es
ist unglaublich, Sarah. Ich finde, du solltest es ihm unbedingt zeigen, wenn
es fertig ist. Es ist dir gelungen, seine Ausstrahlung, seine zynische Seite
und seine Aura der Macht ganz und gar treffend darzustellen.«
»Aber er hat auch eine weiche, sanfte, eine
ängstliche Seite, die noch fehlt. Ich werde ihm das Bild eines Tages zum Geschenk
machen.« Sarah lächelte, aber es war ein nervöses Lächeln, als hätte sie Angst,
dass ihr Geschenk zurückgewiesen oder verächtlich behandelt werden könnte.
Dann fragte sie: »Hat Hart überhaupt schon mit dir über dein Porträt
gesprochen?« Gleich darauf errötete sie und rief: »Oh, Francesca, bitte
entschuldige. Ich bin so froh, dass du endlich hier bist, um für mich Modell
zu sitzen, dass ich ganz vergessen habe, dir zu deiner Verlobung zu gratulieren.
Ich freue mich wirklich für dich!«
»Vielen Dank.«
»Ich finde, ihr zwei seid ein wunderbares Paar.« Dann stutzte
Sarah und sah ihre Freundin forschend an. »Bist du etwa anderer Ansicht?«
Francesca zögerte nicht mit einer Antwort.
»Sarah, wenn ich mit Calder zusammen bin, weiB ich gar nicht so recht, was ich
tue. Ich hege immer noch Gefühle für Bragg. Und Bragg und ich sind uns so
ähnlich – in jeder Hinsicht. Calder und ich hingegen sind wie Feuer und Wasser.
Ich fühle mich beinahe wie in einem dahinrasenden Zug, von dem ich nicht mehr
abspringen kann.« Sie lächelte verkrampft.
Sarah nahm ihre Hand. »Bragg ist mit seiner
Frau zusammen. Ich begreife zwar nicht, was für eine Beziehung die beiden
führen, aber sie scheint unberechenbar und leidenschaftlich
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