Brenda Joyce
eine Freude sein, den Kerl
zu vernehmen«, sagte er.
Als Francesca
das elegante Fifth Avenue Hotel betrat, war sie das reinste Nervenbündel. Nun,
da ihre Gedanken ständig um John Cooper kreisten, wünschte sie, sie hätte die
Verabredung mit Grace Bragg auf einen anderen Tag verschoben. Aber es war
bereits Viertel nach eins, zu spät, um ihr noch abzusagen.
Sie betrat die Lobby mit dem glänzenden Eichenboden und der
gewölbten, von holzvertäfelten Säulen getragenen Decke, von der riesige,
kristallene Kronleuchter hingen. Zahlreiche Herren, allesamt mit guten, dunklen
Straßenanzügen bekleidet, standen in Gruppen beieinander und unterhielten sich
in gedämpfter Lautstärke, während Angestellte in dunkler Livree die Namen der
neuen Gäste im Gästebuch notierten. Francesca erblickte Grace sogleich, da sie
die einzige Frau in der Lobby war. Sie hatte auf einem Sofa im Wartebereich
Platz genommen, und gerade schritten zwei vornehm aussehende Herren an ihr
vorbei, die sie höflich grüßten.
Francesca atmete tief durch, um sich Mut zu machen, setzte ein
Lächeln auf und schritt auf die Frau zu, die gewissermaßen ihre
Schwiegermutter werden sollte. Als Grace sie bemerkte, stand sie auf.
Grace Bragg trug ein sehr strenges, graues
Kostüm, das ebenso schlicht und unauffällig war wie Francescas marineblaues.
Allerdings unterstrich das Grau höchst vorteilhaft ihren hellen Teint und das
leuchtend rote Haar, das unter einem passenden grauen Hut mit schwarzem
Litzenbesatz aufgesteckt war. Ihre Brille hing an einer Kette um ihren Hals.
»Hallo«, sagte Francesca, als sie sich zur Begrüßung umarmten.
»Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.«
»Dafür habe ich Verständnis. Ihr Fall hat Sie wohl aufgehalten?«
Die Frage machte Francesca ein wenig Mut. »Wir haben heute einige
neue Spuren entdeckt, und ich bin sehr zuversichtlich«, sagte sie.
»Das ist ja wundervoll«, erwiderte Grace und schien aufrichtig
erfreut.
»Ich wünsche einen guten Tag, Mrs Bragg.«
Francesca wandte sich um und sah einen schlanken, adretten Mann
in Graces Alter auf sie zugehen, um sie zu begrüßen. Er war ausgesprochen gut
gekleidet, hatte einen sehr hellen Teint und blassblaue Augen.
Grace zögerte kurz, und Francesca vermutete, dass sie sich an den
Namen des Herrn zu erinnern versuchte. »Mr Murphy«, sagte sie schließlich mit
einem gekünstelten Lächeln. Francesca wurde klar, dass sie sich geirrt hatte:
Grace kannte den Mann durchaus, mochte ihn aber nicht.
»Richtig, Tim Murphy. Wir haben uns bei einer Festlichkeit in
Washington kennengelernt, wenn ich mich nicht irre.« Er lächelte sie an. »Mir
ist zu Ohren gekommen, dass Sie und Ihr Mann wieder in die Stadt zurückgekehrt
sind, und ich möchte Sie herzlich willkommen heißen.«
Grace schenkte ihm ein kühles Lächeln. »Wie nett. Darf ich Ihnen
Miss Cahill vorstellen?«
Murphy wandte sich lächelnd Francesca zu. »Sind Sie zufällig
verwandt mit Andrew Cahill?«
Sie
erwiderte das Lächeln höflich. »Er ist mein Vater.«
»Nun, dann
freut es mich desto mehr, Sie kennenzulernen«, sagte er, nahm ihre Hand und
deutete einen Handkuss an. »Beabsichtigen Sie, hier zu speisen?«, erkundigte
er sich.
»Ja.«
»Dann wünsche ich Ihnen einen
guten Appetit. Tomäs ist ein Meisterkoch.« Er entschuldigte sich und
verschwand. Francesca bemerkte Graces angewiderten Gesichtsausdruck. »Wer war
das?«
»Einer von Tammanys Leuten«, antwortete sie ruhig. »Dem Kerl kann
man nicht trauen. Er ist ein guter Freund von Croker. Ich glaube, er gehörte
der Regierung Van Wyck an. Gehen wir hinein?«
Van Wyck hatte eine der korruptesten Regierungen in der Geschichte
New Yorks geführt, und das in der direkten Nachfolge einer Reformregierung mit
dem vorherigen Bürgermeister Strong an der Spitze. Glücklicherweise war Julia
nicht mit diesen Van Wycks verwandt. Francesca hatte der Amtseinführung von
Seth Low, dem derzeitigen Bürgermeister, beigewohnt – ein großer Tag für alle
Verfechter der Reformbewegung. Van Wyck hatte sich nicht einmal getraut, bis
zum Schluss der Veranstaltung zu bleiben, so unbeliebt war er bei den Bürgern.
Er hatte sich nach der zeremoniellen Übergabe der Schlüssel klammheimlich davongeschlichen.
Alle waren froh, ihn los zu sein.
Francesca und Grace wurden in einen eleganten Speisesaal geführt.
Sie waren die einzigen anwesenden Damen, was Grace jedoch nicht zu stören
schien. Auf dem Weg zu ihrem Tisch wurde sie von zahlreichen Herren
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