Brenda Joyce
sich
ging. Francesca hatte Geheimnisse, und das gefiel Connie ganz und gar nicht.
Ihre Schwester neigte dazu, sich in Dinge einzumischen, die nicht
immer so ausgingen, wie sie es geplant hatte.
Ich helfe der Polizei bei den Ermittlungen
im Fall Jonny Burton.
Als sie sich an Francescas Worte erinnerte, erstarrte Connie. Wie
du weit, habe ich die dritte Nachricht gefunden.
Plötzlich bekam Connie es mit der Angst zu tun. Sie hatte gar kein
gutes Gefühl bei der Sache. Aber dass Francesca noch nicht wieder aufgetaucht
war, hatte doch gewiss nichts mit der Entführung des Jungen zu tun ...
Oder war ihre Schwester nun etwa auch
verschwunden? Es hat eine weitere Nachricht gegeben. Ich kann dir nicht
verraten, was darin steht – Bragg würde mich umbringen, wenn ich es täte.
Voller Unruhe trat Connie an den Schreibtisch
ihres Mannes und setzte sich dahinter. Wie immer, wenn sie es sich in seinem
großen Sessel bequem machte und den herben, wundervoll männlichen Duft seines
Eau de Cologne wahrnahm, meinte sie seine Anwesenheit beinahe zu spüren. Sie
strich über das abgenutzte Leder der Schreibtischauflage, wie sie es schon so
oft getan hatte, und fühlte sich für einen kurzen Moment getröstet. Doch
plötzlich stieg ein bittersüßes Gefühl in ihr auf. Wenn Neil nur zu Hause
wäre! Aber das war er in letzter Zeit nur selten.
Connie schob den Gedanken beiseite und nahm
den Telefonhörer ab. Dann ließ sie sich mit dem Polizeipräsidium verbinden und
verlangte den Commissioner zu sprechen.
Francesca
fragte sich, wie viele Stunden wohl vergangen sein mochten, seit MacDougal sie
gefesselt hatte. Sie war völlig verzweifelt. Joel war offensichtlich tot, doch
sie konnte nicht einmal weinen. Sie musste irgendwie aus diesem Keller herauskommen,
aber es fiel ihr schwer, in dieser aussichtslosen Situation einen klaren Kopf
zu bewahren. Wie sollte sie es nur anstellen, zu fliehen? Es schien unmöglich,
zumal sie bei dem Versuch, mit dem Hocker zur Werkbank hinüberzuhüpfen,
umgefallen war und nun auf der Seite lag. Ihre Handgelenke waren längst wund gescheuert, weil sie versucht hatte, sich aus den Fesseln zu
winden. Tränen der Frustration und der Angst standen ihr in den Augen, Angst
davor, auf diesem harten, kalten Boden sterben zu müssen. O Gott, sie war doch
erst zwanzig Jahre alt!
Sie hatte das Gefühl, dass sich ihre Gedanken
in den vielen Stunden, die sie jetzt schon gefesselt war, im Kreis drehten.
Hatte Bragg sie nicht immer wieder davor gewarnt, sich in die Ermittlungen
einzumischen? Hatten ihr Vater und Evan ihr nicht ebenso davon abgeraten? Aber
natürlich hatte sie nicht auf sie gehört. Wie viel Zeit mochte vergangen sein,
seit MacDougal Joel getötet und sie hier im Keller eingeschlossen hatte? War
ihre Abwesenheit überhaupt schon jemandem aufgefallen? Irgendjemand musste es
doch inzwischen bemerkt haben! Für wen arbeitete MacDougal wohl? Für Eliza?
Eliza würde einen Mord niemals dulden, da war sich Francesca sicher. Aber was
hatte er – oder sie – mit ihr vor?
Plötzlich vernahm sie ein leises Geräusch, und sie hob ihre Wange
von dem kalten Boden ab. Was war das?
Starr vor Schreck stellte sie sich vor, wie
ein ganzes Heer von Ratten um sie herum huschte. Als das Geräusch erneut
ertönte, schnappte sie vor Verzweiflung nach Luft. Doch dann wurde ihr bewusst,
dass es sich gar nicht um ein Trippeln handelte. War das etwa ein Stöhnen?
»Joel?«, flüsterte sie hoffnungsvoll. Ihre Stimme klang heiser. »Joel?«,
fragte sie etwas lauter.
Und dieses Mal bestand kein Zweifel mehr: Er stöhnte.
»Du lebst! Gott sei Dank, du lebst!«, rief Francesca mit unbeschreiblicher
Freude und Erleichterung. Sie versuchte erneut, sich mit dem Hocker in eine
aufrechte Position zu bringen, aber das war unmöglich. Schlimmer noch, sie
spürte, dass sie bald in die Hose machen würde, wenn sie sich nicht bald
erleichtern konnte.
»Miss Cahill?«, kam es schwach aus Joels Richtung. Dann: »Autsch!
Mist! Ich blute!«
Francescas Augen hatten sich inzwischen an die
Dunkelheit gewöhnt, und sie erkannte schemenhaft, wie sich Joel aufsetzte und
seinen Hinterkopf berührte. Sein Gesicht war ein bleicher Fleck in der
Dunkelheit. »Geht es dir gut?«, fragte sie.
»Bloß 'n bisschen benommen«, sagte er und
schüttelte den Kopf, als versuche er, die Benommenheit zu vertreiben. »Sei vorsichtig!
MacDougal hat dir mit seinem Revolver eins übergezogen, und du bist verletzt. O
Joel! Ich dachte schon, du wärst tot!«
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