Brenda Joyce
hin
und her zu laufen.
»Haben Sie Gordino gefunden?«,
fragte Francesca hoffnungsvoll, da ihr gerade Joel Kennedy einfiel.
Bragg, der seine Fassung wiedererlangt hatte,
trat vor sie. »Wir arbeiten rund um die Uhr an dem Fall, Francesca«, sagte er
heftig. Dann wurde sein Ton sanfter. »Ich weiß, (lass Sie ein überaus
mitfühlendes Wesen besitzen, aber erlauben Sie mir bitte, die Ermittlungen zu
führen – und zwar allein.«
»Ich
möchte doch nur helfen«, flüsterte sie und sah ihn an.
»Das weiß
ich. Aber es wäre für alle Beteiligten besser, wenn Sie uns nicht helfen
würden«, entgegnete er energisch. Francesca schaute betroffen zu Boden. Wie
sollte sie sich zurückhalten, wenn ihre Hilfe doch womöglich dazu beitrug, das
Kind zu retten?
»Gibt es
sonst noch etwas?«, fragte Bragg.
Sie fuhr
sich mit der Zunge über die Lippen und faltete nervös die Hände. »Ich muss
Ihnen etwas beichten.«
»Ich bin
mir nicht sicher, ob ich es wirklich hören möchte«, erwiderte er.
Sie zuckte zusammen. »Ich denke,
das sollten Sie aber.« Er verschränkte die Arme vor der Brust.
Francesca atmete tief durch. »Als ich am Sonntagabend das
Polizeipräsidium verließ, sah ich, wie Joel durch die Straßen rannte. Ich habe
ihn aufgelesen und in meiner Kutsche mitgenommen.«
»Sie sind
unverbesserlich, was?«
»Ich dachte, der Junge könnte sich als nützlich erweisen, und
außerdem tat er mir Leid. Seine Mutter ist an Tuberkulose gestorben und sein Vater ... nun ja, wie dem auch
sei.
Ich habe ihm Arbeit angeboten und ihn mit nach Hause genommen, wo
er etwas zu essen und ein Bett bekam.«
Francesca verstummte für einen Moment und
bemerkte, dass auch sie unwillkürlich die Arme vor der Brust verschränkt
hatte.
Braggs Lächeln glich einer Grimasse. »Hat diese Geschichte auch eine
Moral?«
»Leider ja.«
»Lassen Sie mich raten – der kleine Mistkerl hat sich mit dem
Familienschmuck davongemacht?«
Sie blickte in seine bernsteinfarbenen Augen.
»Nein. Er hat etwas von unserem Tafelsilber mitgehen lassen. Dieser undankbare
Kerl!«, rief sie und dachte mit Schrecken daran, wie wohl ihre Mutter auf den
Diebstahl reagieren würde. Bragg schüttelte den Kopf. »Francesca, ich sage es
Ihnen wirklich nur sehr ungern, aber Sie sind das Opfer eines Betrügers
geworden. Kennedys Mutter erfreut sich bester Gesundheit. Was den Vater angeht,
so weiß ich allerdings nicht, wer er ist und wo er sich herumtreibt. Maggie
Kennedy ist Näherin. Sie arbeitet für Moe Levy. Sie ist eine ehrliche,
fleißige Frau und hat noch drei weitere, jüngere Kinder, die sie durchbringen
muss. Sie lebt in einer Mietwohnung auf der Avenue A, in unmittelbarer Nähe der
Tenth Street. Leider schlägt Joel nicht nach seiner Mutter.«
Francesca starrte Bragg ungläubig und voller Bestürzung an. »Da
bin ich ja wohl für dumm verkauft worden, wie es so schön heißt.«
Er stieß ein kurzes Lachen aus. »Ich bin seit Sonntagnachmittag
zweimal bei Maggie gewesen, weil ich gehofft hatte, Joel dort zu finden.
Zumindest weiß ich nun, warum sie ihn nicht gesehen hat. Aber so, wie es
aussieht, kommt er ohnehin nur selten nach Hause.«
»Es tut mir
Leid«, sagte Francesca leise.
»Ich hoffe, Sie haben Ihre
Lektion gelernt«, sagte Bragg. Francesca zweifelte nicht daran, dass er
tatsächlich diese Hoffnung hegte. »Ja, das habe ich«, räumte sie ein. Sie lächelten
sich an.
In diesem
Augenblick ertönte ein Klopfen an der Tür, und ein Polizist mit schütterem Haar
steckte seinen Kopf in das Büro.
»Was gibt's, Heinrich?«, rief Bragg und trat auf den anderen Mann
zu.
»Keine guten Neuigkeiten«, erwiderte Heinrich
und öffnete die Tür weiter. Er war stark übergewichtig. »Das ist mein Bericht,
Commissioner«, sagte er und reichte Bragg ein Blatt Papier.
Bragg nahm es entgegen und warf einen Blick darauf. Er begann
leicht zu schwanken, als sei sein Körper von irgendetwas getroffen worden.
»Was ist
los?«, flüsterte Francesca voller Angst.
Doch Bragg
schien sie gar nicht zu hören.
»Sind Sie
sicher?«, fragte er Heinrich.
»Bei meiner Arbeit muss ich den Unterschied
zwischen den Lebenden und den Toten kennen, Commissioner. Dieses Ohrstück
stammte von einem Menschen, der seit mindestens achtzehn Stunden tot ist. Es
tut mir Leid, Sir.«
Francesca blickte fassungslos von einem der
Männer zum anderen und sank langsam auf ihrem Stuhl zusammen.
Kapitel 8
Heinrich und Bragg traten aus dem Büro, um sich kurz unter vier Augen
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