Brenda Joyce
ihre
Beziehung mehr war als das. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich mit
diesen Dingen nicht besonders gut auskannte. Bragg hatte sich einmal etwas aus
Eliza gemacht, hatte sie möglicherweise sogar geliebt. Offenbar bevorzugte er
gut aussehende, intellektuelle Frauen. Während sie darüber nachdachte, fragte
sich Francesca, ob sie möglicherweise auch diesem Typ Frau entsprach.
In dem Augenblick verlangsamte der Einspänner das Tempo und hielt
schließlich an.
Francesca zuckte unwillkürlich zusammen.
»Sind wir da?«, fragte sie. Plötzlich bekam sie es mit der Angst
zu tun.
»Noch nicht, aber ich steige hier aus«, erwiderte Bragg. »Wir sind
fünf Straßenblöcke von den Kennedys entfernt. Ich möchte unbedingt vermeiden,
dass Joel mich entdeckt. Er ist ein schlaues
Kerlchen.« Francesca nickte und beobachtete gespannt, wie er die Tür auf seiner
Seite öffnete. Bevor er aus der Kutsche sprang, wandte er sich noch einmal zu
ihr um.
»Es wird schon alles gut gehen«, sagte er beruhigend. »Vertrauen
Sie mir, Francesca.«
Ihr Herz vollführte einen Hüpfer. »Ich weiß«,
erwiderte sie, obwohl sie eine innere Unruhe verspürte und sich gar nicht
sicher war, ob sie wirklich glaubte, dass alles gut gehen würde.
Sein Blick wanderte über ihr Gesicht. »Machen
Sie sich keine Sorgen. Halten Sie sich nur genau an das, was wir besprochen
haben. Dieses Mal bin ich da, Francesca.« Er lächelte, aber dieses Lächeln
erreichte nicht seine Augen.
»Na schön.« Sie atmete tief durch. Vertrauen
Sie mir, hatte er gesagt. Wie konnten drei schlichte Worte nur so sinnlich
klingen?
Als Bragg aus der Kutsche sprang, öffnete sich seine Jacke, und
Francesca erhaschte einen Blick auf seine Pistole. Dann knallte er die Tür zu
und verschwand im Dunkel der Straße. Der Einspänner fuhr wieder los.
Francesca saß wie vom Donner gerührt da. Sie
hatte noch nie eine solche Pistole gesehen. Es war keine Jagdwaffe und auch
kein kleiner Revolver mit perlenbesetztem Griff, wie er in die Hand einer Dame
passte. Es war eine große, gefährlich aussehende Waffe, ausschließlich dazu
konstruiert, um Menschen zu töten. Aber er trug sie vermutlich nur als Vorsichtsmaßnahme
bei sich.
Der Einspänner hielt erneut an. Der Polizist auf dem Kutschbock
drehte sich um und sagte: »Wir sind da.«
»Bitte warten Sie«, brachte Francesca hervor, als auch schon die
Tür geöffnet wurde und Joel hereinsprang.
»Hallo«, begrüßte sie den Jungen und rang
sich ein Lächeln ab.
Doch sie konnte an nichts anderes mehr denken
als an Braggs Waffe. Sie hatte noch nie zuvor bemerkt, dass er eine Pistole
trug. Glaubte er, dass er sie würde benutzen müssen? »Sind Sie sicher, dass sie
es noch mal versuchen wollen?«, erwiderte Joel anstelle einer Begrüßung.
Francesca nickte. »Kutscher, Twenty-third,
Nähe Broadway.« Der Einspänner fuhr los.
»Weiß wirklich nich, warum Sie sich da
einmischen müssen«, brummte Joel. Er setzte sich nicht, sondern kniete sich
auf die Sitzbank und blickte aus dem hinteren Fenster. Offenbar hielt er wieder
Ausschau, ob sie verfolgt wurden. »Was machst du denn da?«, fragte Francesca
beklommen, die fürchtete, dass der Junge Bragg oder die anderen Polizisten
entdeckte und die ganze Operation scheitern würde, bevor sie überhaupt richtig
begonnen hatte. Joel antwortete nicht, sondern beobachtete weiterhin
misstrauisch die Straße hinter ihnen. Kurz darauf rutschte er vom Sitz und
starrte zuerst für eine Weile zu dem einen, dann zu dem anderen Seitenfenster
hinaus. Schließlich setzte er sich hin.
»Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache«,
sagte Joel grimmig, und Francesca stimmte ihm im Stillen aus tiefstem Herzen
zu.
Kapitel 13
MITTWOCH, 22. JANUAR 1902 – MITTERNACHT
Francesca
entdeckte Gordino sofort, als sie die billige Spelunke betrat. Er saß wieder am
selben Tisch wie am Abend zuvor und war mit vier anderen Spielern, von denen
jeder ebenso hartgesotten und brutal aussah wie er, in ein Kartenspiel
vertieft.
Als Joel einen Schritt nach vorn machte, um
Francesca zu Gordino zu führen, hielt sie ihn an der Schulter zurück.
»Ich muss noch einmal nach draußen«, sagte sie mit gepresster,
angsterfüllter Stimme.
»Was?«, rief er.
Sie gab ihm keine Gelegenheit zu
protestieren, sondern zerrte ihn mit sich auf den Gehsteig hinaus. Dabei
verspürte sie eine gewisse Erleichterung, dass sie sich an diesem Abend nicht
erneut den Demütigungen in der Schenke hatte aussetzen müssen. Sie zog
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