Brenda Joyce
Oberkörper sehen konnte.
Francesca graute bei dem bloßen Anblick.
Julia stand nicht weit von Maggie entfernt. Als sie Francesca eintreten
hörte, wandte sie sich zu ihr um und brach in stumme Tränen aus.
Francesca eilte auf sie zu, und die beiden
Frauen fielen einander in die Arme. »Er wird wieder gesund werden, Mama, alles
wird gut«, redete Francesca auf ihre Mutter ein. Doch zugleich arbeitete ihr
Verstand fieberhaft. Eine Kneipenschlägerei? Ihr Bruder prügelte sich nicht in
Kneipen. Hatte er nicht erwähnt, dass er befürchtete, seine Gläubiger würden
tätlich gegen ihn vorgehen?
War womöglich genau das geschehen?
»Danke, Francesca«, flüsterte Julia, die sich wieder gefasst hatte
und sich aus der Umarmung ihrer Tochter löste.
Maggie war inzwischen damit beschäftigt, das
Bettzeug zu richten. »So, und nun sollten Sie schlafen, wie Dr. Finney geraten
hat.«
Evan lächelte sie an. Selbst in diesem Zustand – rot und blau angelaufen
und bandagiert wie eine Mumie – sah er noch sehr gut aus. »Hat Ihnen schon mal
jemand gesagt, dass Sie ein Engel sind, Mrs Kennedy?« Seine Stimme klang ein
wenig schleppend. »Nein, niemand – Sie sind der Erste«, erwiderte Maggie
heiter.
»Und nun machen Sie die Augen
zu, Mr Cahill, damit Sie bald wieder auf die Beine kommen. Schlaf ist die beste
Medizin.«
Langsam und mit einem Lächeln
auf den Lippen schloss er die Lider.
Maggie strich ihm mit mütterlicher Geste über
die verbundene Stirn. Darm wandte sie sich um und fragte mit großen, entsetzten
Augen: »Wer kann das getan haben?« Sie starrte Francesca an. »Ich hab ja schon
so manche Prügelei mit angesehen, aber das hier scheint mir eher, als ob jemand
ihn umbringen wollte!«
Julia begann zu zittern.
Francesca strich ihrer Mutter über die Schulter und warf Maggie
einen warnenden Blick zu. »Komm schon, Mama, komm und setzt dich zu Papa«, bat
sie.
Julia ließ sich widerspruchslos von ihr in das Wohnzimmer führen,
wo Andrew noch immer saß und schweigend in das Kaminfeuer starrte. Sobald
seine Frau neben ihm Platz nahm, legte er die Arme um sie und zog sie an sich.
Während Julia lautlos schluchzte, sagte er: »Es ist meine Schuld. Ich habe ihn
aus dem Haus gejagt. Das ist ganz und gar meine Schuld.«
»Das stimmt nicht!«, widersprach Julia heftig. »O Gott, er ist so
schwer verletzt!«
»Aber, aber ... er ist ein zäher junger Mann,
das hat Finney auch gesagt. Die paar gebrochenen Rippen – er wird im Handumdrehen
wieder auf die Beine kommen«, besänftigte Andrew seine Frau.
Nachdem Francesca erleichtert festgestellt hatte, dass die beiden
ihren Zwist begraben hatten, eilte sie zurück ins Schlafzimmer. Maggie stand am
Fußende des Bettes und wachte über Evans Schlaf. Francesca stellte sich neben
sie. »Evan?«
Er reagierte nicht.
»Evan?« Sie trat ans Kopfende, doch er rührte sich noch immer
nicht und hielt die Augen geschlossen.
»Er schläft, Miss Cahill. Bitte wecken Sie ihn
nicht auf«, sagte Maggie. Sie klang zutiefst erschüttert und war auffallend
blass. Francesca fasste ihre Hand. »Was hat Dr. Finney gesagt?«
»Dass er jung und zäh ist und großes Glück
gehabt hat. Er wurde brutal in die Nieren getreten, Miss Cahill. Der Doktor
sagt, es wird eine ganze Weile dauern, bis er wieder auf die Beine kommt.«
Francesca legte den Arm um Maggie – nicht so sehr, um die Näherin
zu trösten, sondern eher sich selbst. »O Gott. War es tatsächlich eine
Kneipenschlägerei?«
Maggie nickte. »Das hat der junge Mr Cahill
jedenfalls selbst gesagt. Er behauptet, dass er betrunken war. Ich weiß nicht
recht ... betrinkt sich Ihr Bruder denn so furchtbar? Er ist mir immer wie ein
richtiger Gentleman vorgekommen!«
»Mein Bruder ist ein Gentleman«, bekräftigte Francesca,
»und er war noch nie in einen derartigen Kampf verwickelt. Ich habe ihn auch
noch nie richtig betrunken erlebt.« Konnte Evan gelogen haben? Und wenn ja,
warum? Sie musste unbedingt mit ihm sprechen. »Aber er wird doch wieder gesund
werden?«
»In einer Woche sollte er wieder aufstehen
können«, teilte Maggie ihr händeringend mit. »Aber er wird sich noch für einen
Monat oder länger schonen müssen und Schmerzen haben.« Tränen traten in ihre leuchtend
blauen Augen, und sie legte eine Hand auf die Brust. »Es ist so furchtbar, dass
mir einfach die Worte fehlen.«
Francesca holte tief Luft. »Ja, das ist es.« Sie warf einen Blick
auf ihren schlafenden Bruder und betete, dieser Vorfall möge nichts mit
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