Brenda Joyce
sich
tatsächlich so verhält. Aber auch mich liebt er noch immer – er weigert sich
nur, es vor irgendjemandem einzugestehen, insbesondere vor sich selbst.«
Francesca wand sich innerlich, und ihr Herz
schlug so heftig, dass sie glaubte, es müsse zerspringen. Leigh Anne hatte
genau das ausgesprochen, was sie selbst bereits seit einiger Zeit argwöhnte.
»Sehen Sie, zwischen uns besteht ein Band, das niemals durchtrennt
werden kann, Miss Cahill, von Ihnen nicht und von niemandem sonst. Es ist
schwer zu erklären ... obwohl ich vier Jahre lang von ihm getrennt gelebt habe,
war er in gewisser Weise immer bei mir, an jedem einzelnen Tag. Dieser Bindung
vermochte ich mich nie zu entziehen, und seit ich ihm heute begegnet bin,
weiß ich, dass er ebenso empfindet.«
Francesca spürte, wie ihr die Hitze in die
Wangen stieg. Sie glaubte Leigh Anne jedes Wort. Hatte sie nicht selbst immer
wieder beobachtet, wie Bragg auf die bloße Nennung ihres Namens reagierte? »Was
werden Sie tun?«, brachte sie heiser heraus.
»Dasselbe muss ich Sie fragen«, gab Leigh Arme gleichmütig zurück.
Francesca wurde bewusst, dass sie noch immer die Arme um ihren
Körper geschlungen hatte. Sie brachte es fertig, die Hände sinken zu lassen,
wobei sie sich jedoch unwillkürlich zu Fäusten ballten. »Ich weiß es nicht.«
Leigh Anne schwieg einen Moment lang, ehe sie verkündete: »Ich
jedenfalls werde Rick nicht gestatten, die Scheidung einzureichen und auf diese
Weise sich selbst, seine Karriere und mich zugrunde zu richten.«
Francesca schrak zusammen und
starrte ihre Besucherin an.
Leigh Anne hielt ihrem Blick
sekundenlang mit unnachgiebigem Ausdruck stand. »Aber schließlich wäre nicht
er selbst es, der sich ins Verderben stürzt, nicht wahr?«
Francesca spürte, wie sie erbleichte. Diese kleine Frau war wahrhaftig
gerissen.
»Sie sind hier das Problem, Miss Cahill –
Sie, nicht ich. Sollte jemals irgendwer sehen, was Mrs Thornton beobachtet hat
– sollten die Reporter dieser Stadt jemals erfahren, dass Sie und mein Mann
eine Liebesaffäre haben, so wäre er politisch erledigt. Ich glaube doch, Sie
sind intelligent genug, das zu wissen.«
Touche. Sie hob das Kinn. Und sie erwiderte nichts, denn Leigh Anne hatte
Recht.
Connies Worte hallten laut und schmerzlich in ihrer Erinnerung
wider. Du bist seine Achillesferse, Francesca ... Du bist diejenige, die ihn
vernichten kann. Wenn du ihn liebst, musst du ihn gehen lassen! »Wenn Sie
ihn wirklich liebten, käme es Ihnen niemals in den Sinn, ihn in eine derart
gefährliche Situation zu bringen«, sagte Leigh Anne leise.
In schierer Verzweiflung schoss es Francesca durch den Kopf: Ich
habe verloren. Sie schwieg.
Leigh Anne trat auf sie zu und legte ihr mitfühlend eine Hand auf
den Rücken. »Es tut mir Leid«, sagte sie sanft. »Ich weiß, wie es ist, meinen
Mann zu lieben. Sehen Sie, ich selbst habe niemals aufgehört, ihn zu lieben, in
all den Jahren nicht.«
Francesca kämpfte mit den
Tränen – sie wollte nicht zulassen, dass ihr auch nur die Augen feucht wurden.
Hastig entzog sie sich Leigh Annes Berührung. »Sie wollen ihn zurückhaben.«
»Das war mir selbst nicht klar,
bis ich ihn heute Morgen sah.
Eigentlich war ich nur hergekommen, um zu verhindern, dass Sie ihn
– uns – zugrunde richten. Aber als ich ihm gegenüberstand, konnte ich mich
meiner wahren Gefühle nicht mehr erwehren«, sagte sie. »Ich habe einen Jungen
geheiratet, der große Träume hegte – heute sah ich einen großen Mann vor mir.
Wie könnte ich anders, als ihn zu lieben?«
»Sie werden also bleiben«, flüsterte Francesca. Sie hörte selbst,
wie weinerlich ihre Stimme klang.
»Ich werde bleiben«, bestätigte Leigh Anne mit grimmigem Lächeln.
»Und ich werde Rick helfen, all seine Träume zu verwirklichen, Miss Cahill.«
Ihre Blicke trafen sich. »Alle, jeden einzelnen.«
Kapitel 19
DIENSTAG,
18. FEBRUAR 1902 – 16 UHR
Francesca begleitete Leigh Anne zur Tür, wobei sie
das Gefühl hatte, völlig neben sich zu stehen. Oberstes Gebot schien in diesem
Moment zu sein, das Denken zu vermeiden – und das Fühlen. Doch das war ein
furchtbar schweres Unterfangen.
Denn unter der Oberfläche herrschten Aufruhr, Seelenschmerz und
entsetzliche Niedergeschlagenheit.
Verkrampft lächelnd sah Francesca zu, wie
Leigh Anne sich in ihren Mantel aus Chinchilla- und Fuchspelz helfen ließ und
die Handschuhe überstreifte. »Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen
Nachmittag, Miss Cahill«, sagte
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