Brenda Joyce
nickte.
»Mein Arztkoffer ist bei Hart. Finden Sie heraus, ob ein Arzt im
Hause ist«, befahl der angehende Mediziner, ohne aufzublicken. Evan machte
kehrt und eilte erneut davon.
»Ich brauche keinen Arzt«, murmelte Sarah, die nun endlich die
Augen offen halten konnte.
»Sie sind ein wenig fiebrig.« Rourke betrachtete sie eingehender.
»Den Eindruck hatte ich vorhin schon. Und Sie haben überhaupt nichts gegessen,
Miss Channing«, schalt er.
»Das ist mir gar nicht aufgefallen – es
überrascht mich, dass Sie es bemerkt haben«, versetzte sie ein wenig schroff.
Gleich darauf ließ sie sich wieder in seine Arme zurücksinken. »Es tut mir
Leid. Ich bin so aufgewühlt! Ich bin heute Abend gar nicht ich selbst.«
»Das ist verständlich. Ah, da kommt auch
schon Hilfe!«
Ein Hotelbediensteter und ein weiterer
Gentleman, der sich als der Manager des Etablissements vorstellte, kamen
herbeigeeilt. »Wir haben einen Arzt im Haus, Sir, aber er ist heute Abend in
der Oper. Wir können jedoch nach Dr. Johnson schicken und der jungen Dame so
lange ein Zimmer zur Verfügung stellen, bis er eintrifft.«
»Das halte ich für eine ausgezeichnete Idee«, stimmte Rourke zu.
An seine Patientin gewandt, sagte er freundlich: »Sarah? Wir lassen einen Arzt
kommen, und in der Zwischenzeit können Sie sich in dem Zimmer etwas ausruhen.«
»Aber mir fehlt nichts. Ich bin nur ein wenig schwach. Ich möchte
lieber nach Hause«, protestierte sie.
»Das kommt nicht infrage. Dr. Johnson wird in ein paar Minuten
hier sein.«
»Das glaube ich kaum – eher wird es eine Stunde dauern. Ich muss
nach Hause!« Sie schien jetzt sehr aufgebracht. Francesca kniete neben ihr
nieder und legte ihr die Hand auf den Rücken. Sarah schien es nicht zu
bemerken.
»Wozu die Eile? Es wäre mir wirklich lieber, wenn zuerst ein Arzt
Ihre Temperatur messen, Ihnen in den Hals schauen und Herz und Lunge abhören
würde. Das ist ein ganz normales Verfahren«, erklärte Rourke freundlich.
»Ich muss früh mit der Arbeit beginnen,
Rourke«, wandte sie ein.
»Ich bezweifle, dass Sie morgen früh arbeiten werden«, widersprach
er geduldig.
Sarah errötete. »Sie haben Recht!«, stieß sie plötzlich matt hervor.
»Es geht mir nicht gut. Ich verspüre kein Verlangen zu malen ... ich kann nicht
malen! Und ich habe mich schon den ganzen Tag nicht wohl gefühlt.« Plötzlich
füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Was, wenn Hart seine Meinung ändert? Was,
wenn ich den Auftrag verliere?«, rief sie. »Dieses Bild ist das wichtigste
meines Lebens!«
»Mein Stiefbruder wird seine Meinung nicht
andern. Man kann ihm manches nachsagen, aber Wankelmut gewiss nicht. Wenn er
Miss Cahills Porträt in Auftrag gegeben hat, gibt es dafür einen Grund, und
wie ich Hart kenne, können ihn weder Höllenfeuer noch Hochwasser von seinem
Entschluss abbringen.«
Sarah schien noch immer nicht beruhigt. »Ich
möchte jetzt lieber nach Hause. Mama? Wir können doch nach Dr. Finney
schicken.«
Als Mrs Channing zögerte, erbot sich Bragg:
»Ich kann auf dem Weg zu den Cahills bei Finney Halt machen. Er müsste dann
gleichzeitig mit euch oder wenig später beim Haus der Channings eintreffen,
Rourke. Er ist ein guter Arzt«, setzte er hinzu.
»Ein ausgezeichneter Plan«, stimmte Rourke zu. Dann erkundigte er
sich bei Sarah: »Können Sie aufstehen?«
»Gewiss«, erwiderte sie.
Rourke half ihr auf die Beine. »Cahill? Wenn Sie nichts dagegen
haben, werde ich Sie und Ihre Verlobte zurück zu Mrs Channings Haus
begleiten.«
»Ganz und gar nicht«, willigte Evan sichtlich erleichtert ein.
»Ich besorge uns eine Droschke.«
Rathe und Grace
waren in einer Kutsche zu Harts Villa aufgebrochen, während Rourke in einem
weiteren Fahrzeug Evan und die Channings zur West Side begleitete. Lucy hatte
sich in ihre Suite im Hotel zurückgezogen – wie Francesca mittlerweile wusste,
hatte sie Hart nicht mit drei Kindern und der Kinderfrau zur Last fallen
wollen. Insgeheim war Francesca allerdings überzeugt, dass es Calder nicht
gestört hätte. Bragg war mit Lucy hinaufgegangen – offenbar um ein paar Worte
mit ihr zu wechseln –, während Francesca allein im Foyer des Hotels wartete.
Nun erschien er endlich wieder. »Es tut mir Leid, dass es so lange gedauert
hat«, entschuldigte er sich mit düsterer Miene und half ihr in den Mantel, den
sie sich bereits hatte bringen lassen.
Ein Diener hielt ihnen die Tür auf, und sie traten ins Freie. »Wie
war es?«, erkundigte sich Francesca
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