Brenda Joyce
Auftritt
effektvoller zu gestalten, war sie absichtlich eine halbe Stunde zu spät
gekommen.
Offenbar traf sie dennoch als Erste ein. Enttäuscht und gleich
darauf verärgert ließ sich Bartolla zu einem kleinen Tisch führen, der für
zwei Personen gedeckt war. Sie nahm Platz, bestellte sich einen Tee und
versuchte, eine gleichgültige Miene aufzusetzen und sich ihren Zorn über den
verpatzten Auftritt nicht anmerken zu lassen.
Während sie wartete, amüsierte sie sich damit,
Blickkontakt zu mehreren Gentlemen herzustellen, obwohl sich diese in Begleitung
ihrer Frauen oder Geliebten befanden. Einer der Herren ging sogar so weit,
seine Visitenkarte zu ihren Füßen fallen zu lassen, als er auf dem Weg zur
Garderobe an ihr vorbeikam. Bartolla hob sie auf und steckte sie in ihr Mieder
in der Absicht, an einem verregneten Nachmittag einmal davon Gebrauch zu machen.
Im nächsten Moment richtete sie
sich kerzengerade auf.
Gleichzeitig wandten sämtliche Männer im
Restaurant die Köpfe. Bartolla warf einen Blick auf Leigh Anne und seufzte.
Nichts hatte sich verändert. Die zierliche Frau war noch immer unsäglich schön
– vielleicht lag es daran, dass sie klein wie ein Kind war, dabei aber den wohl
geformten Körper einer erwachsenen Frau besaß. Oder waren es der makellose
Teint und die riesigen grünen Augen, die immer ein wenig verwirrt und ganz und
gar unschuldig dreinblickten? Hinzu kam der Mund, der einer Rosenknospe glich –
Bartolla konnte sich denken, was Männern beim Anblick dieser vollen Lippen in
den Sinn kam. Sie seufzte noch einmal. Sie selbst mochte zwar die Größere,
Stattlichere von ihnen sein, und ihr rötliches Haar verfehlte seine Wirkung
nicht, aber wenn sie und Leigh Anne sich zusammen in der Öffentlichkeit
zeigten, war Letztere diejenige, die mehr Blicke auf sich zog. Bartolla hatte
entschieden, es müsse ihr unschuldiges Aussehen sein, das ihren besonderen Charme
ausmachte.
Als Leigh Anne Bragg sie erblickte, lächelte sie ihr entgegen und
winkte flüchtig.
Bartolla erwiderte das Lächeln und erhob
sich. Sie wusste sehr wohl, dass an Leigh Anne Bragg ganz und gar nichts
Unschuldiges war, doch gerade das machte sie zu einer außerordentlich interessanten
Frau. Und die Tatsache, dass Leigh Anne klug genug war, niemals etwas von sich
preiszugeben, ließ ihre Freundschaft zu einer besonderen Herausforderung
werden. Bartolla konnte nie sicher sein, was die andere Frau in Wirklichkeit
dachte oder empfand, und das obwohl sie beide im vergangenen Sommer in
Südfrankreich ganze Nachmittage gemeinsam verbracht hatten und in
Venedig und Florenz für kurze Zeit in denselben Kreisen verkehrt hatten.
Jeder einzelne Mann im Raum beobachtete, wie sich die beiden
außerordentlich schönen Frauen umarmten.
»Du siehst bezaubernder denn je aus!«, rief
Leigh Anne, während sie Platz nahm. Sie trug ein dunkelgrünes, mit Nerz abgesetztes
Ensemble, das zu ihren Augen passte und – wie Bartolla vermutete – ein kleines
Vermögen gekostet haben musste, denn das Material war offensichtlich eine
kostbare chinesische Seide. Hätte Bartolla dieselbe Kleidung getragen, so hätte
sie dazu sämtlichen Smaragdschmuck angelegt, den sie besaß. Leigh Anne hingegen
trug einen einzelnen tropfenförmigen Diamanten, der an einem schwarzen Band
hing und sich in ihre Halsgrube schmiegte. Ihr langes schwarzes Haar, das
dicht und glatt war, fiel entgegen der Mode lose über ihre Schulterblätter wie
ein Cape. Sie trug keine Spur von Make-up – das hatte sie nicht nötig. Ihre
Wimpern waren dicht und schwarz, ihre Wangen rosig, ihre Lippen rubinrot. Wenn
Bartolla weniger selbstsicher gewesen wäre, hätte sie ihr Gegenüber womöglich
gehasst und beneidet.
Doch Bartolla war noch nie auf eine andere Frau eifersüchtig gewesen.
Eifersucht lag nicht in ihrer Natur.
Sie bemerkte, dass Leigh Anne sowohl ihren kleinen Verlobungsring
mit dem schätzungsweise anderthalbkarätigen Diamanten als auch ihren Ehering
trug.
»Danke. Ich fürchte, die Witwenschaft steht
mir«, lachte Bartolla.
Leigh Anne stimmte in ihr Lachen ein.
»Und du bist um keinen einzigen Tag gealtert. Du siehst entzückend
aus wie eh und je«, fuhr Bartolla lächelnd fort.
Leigh Anne wurde ernst und beugte sich mit scheinbar zweifelnder
Miene vor. Insgeheim war Bartolla allerdings überzeugt, dass es keinen Menschen
gab, der weniger an Selbstzweifeln litt. »Findest du? Ich bin so
niedergeschlagen, so entsetzlich niedergeschlagen, seit ich davon
Weitere Kostenlose Bücher