Brenda Joyce
nicht meine Frage«, versetzte Julia. »Ich entschuldige
mich für die Art, wie ich mit dir gestritten habe, aber nicht für das, was ich
gesagt habe. Ich muss darauf bestehen, dass wir unsere Unterredung zu Ende
bringen.«
Er wandte sich um. »Mit dir kann man nicht reden, Julia – nicht,
wenn es um die Kinder geht.« Damit machte er kehrt und ging hinaus.
Francesca war wie betäubt. Wäre in dem Moment ein Vierspänner vom
Himmel gefallen, sie hätte nicht entgeisterter sein können. Wie konnte dies
alles nur geschehen?
Julia wandte sich ruckartig zu ihr um. »Meine Familie bricht in
Stücke!«
Francesca
rang um Fassung. »Mama, nichts bricht in Stücke.«
»Mein
Heim, meine Familie, mein ganzes Leben geht in die Brüche!«, beharrte Julia
aufgebracht. »Hast du das gesehen? Er hat mich einfach stehen gelassen! So hat
er mich noch nie behandelt.«
»Er wird wiederkommen. Und wenn er wieder zu Hause ist, könnt ihr
euch gütlich einigen«, brachte Francesca tapfer vor. Doch insgeheim glaubte sie
nicht daran, dass es in dieser besonderen Angelegenheit eine gütliche Einigung
geben würde. Und wenn nicht, was dann?
Julia starrte sie an, als sei ihr ein zweiter
Kopf gewachsen. Sie begann zu zittern. »O gütiger Gott. Andrew hat mich stehen
gelassen und ist aus dem Haus gegangen. Evan ist ausgezogen. Connie weigert
sich, ihre Privaträume zu verlassen. Und du!« Julia blickte ihre Tochter
anklagend an. »Du bildest dir ein, den Commissioner zu lieben, und das, obwohl
er verheiratet ist. Davon habe ich nun endgültig genug, Miss Francesca Louise
Cahill!«
Francesca
wagte nichts zu erwidern.
»Oh, ich kenne dich! Wenn du dir einmal etwas
in den Kopf gesetzt hast, ist nicht mehr mit dir zu reden! Es ist, als wollte
man einem Terrier seinen Knochen fortnehmen! Nun, ich habe Neuigkeiten für
dich! Nur weil du beschlossen hast, dass er "der" Mann
für dich ist, muss das noch längst nicht zutreffen! Er ist ganz offensichtlich
nicht "der" Mann für dich, meine Liebe, denn schließlich ist er
verheiratet. Ich erwarte daher, dass du dir diesen Unfug aus dem Kopf schlägst!«
Jetzt war nicht der rechte Zeitpunkt für Diskussionen. »Mama, ich
weiß über Braggs Frau Bescheid.«
Julias Augen füllten sich mit Tränen. Die Bemerkung ihrer Tochter
schien sie gar nicht gehört zu haben. »O Gott, ich liebe Andrew so sehr. Was
habe ich nur getan?«
»Geh ihm nach«, drängte
Francesca ihre Mutter. »Jetzt gleich!« Julia schien im Begriff, ihren Rat zu
befolgen, doch dann hielt sie inne. »Ich kann nicht.«
Bartolla
betrat das Hotel. Sie war außerstande, einen leichten Schauder freudiger
Erwartung zu unterdrücken – ein geradezu sinnliches Gefühl. Mit einem raschen
Blick stellte sie fest, dass sich das Restaurant dort befand, wo sie es
vermutet hatte. Lächelnd schritt sie über das mit Perserteppichen bedeckte
Parkett. Sie war sich der Blicke bewusst, die sie dabei auf sich zog, wusste,
dass sich die Männer nach ihr umdrehten und ihr hinterherschauten.
Anlässlich dieser Verabredung hatte sie sich
besonders sorgfältig zurechtgemacht. Das königsblaue Kleid betonte ihre
schmale Taille und ihre fraulichen Hüften und ließ mehr von ihrem Dekolletee
sehen, als eine Dame tagsüber für gewöhnlich zeigte. Außerdem hatte sie bei
Lord & Taylor ein neues Lippenrouge erstanden, das dunkler war als der
übliche Purpurton und eher die Farbe von Beeren hatte. Angesichts ihres hellen
Teints bewirkte es einen erstaunlichen Effekt und brachte – zusammen mit dem
sorgfältig aufgetragenen Lidstrich und der Wimperntusche – ihre grünen Augen
richtig zum Funkeln.
Eine blassblaue Fuchsstola vollendete die
Aufmachung. Bartolla wusste, dass sie elegant, sinnlich und reich wirkte, wenn
auch nicht in dieser Reihenfolge. Als ein junger, hochgewachsener Page sie im
Vorbeigehen beäugte, konnte sie nicht anders, als zweimal hinzusehen. Er war
ein Bild von einem Mann – blond, blauäugig und muskulös, mit hübschen, markanten
Zügen. Sie schenkte ihm ein Lächeln. Gott, es war so lange her!
Sie wünschte, Evan Cahill wäre nicht mit ihrer kleinen Cousine verlobt.
Doch selbst wenn er es nicht gewesen wäre, hätte sie ihn ohnehin nicht in ihr
Bett locken können – es stand einfach zu viel auf dem Spiel. Bei dem Gedanken
an ihn überkam sie ein Anflug von Schwäche.
Sie hatten sich nicht einmal geküsst.
Und wenn sie an das viele Geld dachte, das die
Cahills besaßen ...
Noch immer lächelnd betrat sie den Speisesaal. Um ihren
Weitere Kostenlose Bücher