Brenda Joyce
Sie wissen so gut wie ich, dass Sie
einzigartig sind. Eine Zweitausgabe von Francesca Cahill könnte man auf der
ganzen Welt nicht finden.« Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Scotch zu, als
fände er die Flüssigkeit in seinem Glas äußerst faszinierend.
Francesca war überwältigt von diesem Kompliment. Zunächst fühlte
sie sich wie gelähmt, dann überlief sie ein leichter Schauder, den sie erfolglos
zu unterdrücken versuchte.
»Ist Ihnen mein Lob unangenehm, Francesca?«, fragte er leise. »Ja,
nein ... ja.«
Einen Moment lang blickte er sie schweigend an. »Wenn ich nicht
ehrlich zu Ihnen sein darf, können wir keine Freunde sein«, sagte er schlicht.
Sie nahm einen großen Schluck Scotch, spürte, wie sie von innen
eine wohlige Wärme erfüllte, und erwiderte atemlos: »Sie haben Recht.«
»Ich habe für gewöhnlich Recht.«
Sie beäugte ihn. Nun befanden sie sich wieder auf weniger unsicherem
Boden. »Nicht immer?« Dabei konnte sie sich ein kleines Lächeln nicht
verbeißen.
Er grinste. Seine makellos weißen Zähne standen völlig gleichmäßig,
und er hatte ein kleines Grübchen in der rechten Wange. Dennoch wirkte er nicht
jungenhaft, wenn er grinste – er erinnerte eher an einen Erzengel, der
ausgesandt worden war, die Unschuldigen zu versuchen. »Nicht immer, Francesca.
Und wenigstens gestatten Sie sich einmal ein Lächeln.«
»Gott, ist das eine Erleichterung!«, konterte sie, wobei sie den
letzten Kommentar überhörte. »Sie sind mitunter so unerträglich, dass man zu
dem Schluss kommen könnte, Sie bildeten sich ein, stets im Recht zu sein.«
»Aber nicht doch. Man zieht sich nicht selbst
an den Haaren aus dem Sumpf, baut die größte Versicherungsgesellschaft New
Yorks sowie eine viel beneidete Kunstsammlung auf und gelangt in den Besitz
mehrerer Villen, indem man arrogant und engstirnig durchs Leben geht.« Er hob
sein Glas und prostete ihr zu. Dann fuhr er in sachlichem Ton fort: »Nun?
Wollen Sie mir jetzt vielleicht verraten, warum ich Sie allein hier draußen angetroffen
habe, bekümmert und bedrückt?«
Sie holte tief Luft – alle ihre Probleme schwirrten ihr
gleichzeitig durch den Kopf. Wie viel konnte sie ihm verraten? Sollte sie ihm
überhaupt irgendetwas sagen?
Ihr wurde bewusst, dass sie einen starken
Drang empfand, sich diesem Mann anzuvertrauen. Nun, da sie allein neben ihm
unter dem Abendhimmel stand, fühlte sie sich von seiner Kraft und Stärke wohlig
umfangen. Er war energisch, klug und scharfsinnig, vertrat seine Ansichten – er
war jemand, dessen Rat sie immer schätzen würde, und auf eigentümliche Weise
hatte sie das Gefühl, ihre Geheimnisse seien bei ihm sicher aufgehoben.
Wie seltsam.
Sie empfand ein warmes Glühen, einen leichten Schwindel – ein außerordentlich
angenehmes Gefühl. Sie war nicht betrunken, lediglich ... entspannt. Vielleicht
war es aber doch der Scotch, der sie so redselig machte.
»Francesca? Welche innere Debatte führen Sie da?«, erkundigte sich
Hart belustigt. Dabei betrachtete er sie über den Rand seines Glases hinweg
mit einem schelmischen Funkeln in seinen beinahe schwarzen Augen.
Sie beobachtete, wie er das Glas an die Lippen setzte, und als er
schluckte, sah sie das Spiel der Muskeln an seinem kräftigen Hals. »Einerseits
drängt es mich unerkärlicherweise, Ihnen alles zu erzählen. Doch andererseits
wage ich es natürlich nicht, mich Ihnen anzuvertrauen«, gestand sie.
»Warum denn nicht? Ist Ihnen noch nicht in den Sinn gekommen,
dass ich ein wertvoller Vertrauter und ein noch wertvollerer Verbündeter sein
könnte?«
Etwas in dieser Art hatte er bereits zuvor
gesagt. Sie starrte ihn an.
»Ich will Ihnen nur helfen. Doch in Wahrheit
erübrigt sich meine Frage wohl ohnehin – wenn Sie bedrückt sind, kommt nur eine
Ursache infrage.« Seine gute Laune verflog sichtlich.
Sie versteifte sich, riss den Blick von ihm los – auch wenn ihr
das nicht leicht fiel – und trank noch einen Schluck. Sie hatte nicht die
Absicht, mit ihm über Bragg zu diskutieren – nicht jetzt, da sie gerade
hervorragend miteinander auskamen und eine solche Debatte nur dazu geführt
hätte, dass er ärgerlich wurde und womöglich aufbrauste.
»Also, was hat er getan?«, fragte Hart mit einem Anflug von
Schärfe in der Stimme. Sein Blick war düster und wachsam.
Sie blickte von ihrem halb leeren Glas auf. »Evan ist aus der Firma
meines Vaters ausgetreten und zu Hause ausgezogen. Er beabsichtigt, seine
Verlobung mit Sarah zu lösen, sich
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