Brenda Joyce
verkrampfte und ihr eigener Blick geradezu magisch von
seinen Lippen angezogen wurde. Er hatte mit seinen Küssen die Frau in ihr
geweckt. Sie wusste nun, was Leidenschaft war, was sie bedeutete, wie mächtig
und bezwingend sie war. Etwas in ihr sehnte sich nach einem letzten Kuss.
Aber Leigh Anne war zurück, sie war jetzt eine Frau aus Fleisch und Blut. Nicht
länger die schreckliche Ehefrau, die im Ausland lebte, nicht länger ein Abstraktum.
Francesca vermochte einfach nicht die Rolle der Dulzinea zu spielen.
Braggs Blick wich nicht von ihrem Gesicht und
wurde forschend. »Was wollte Hart heute Abend von dir? Ich weiß, dass er dir
seine Aufwartung gemacht hat. Ich traue ihm einfach nicht! Oder hatte Julia ihn
eingeladen? Glaubt sie immer noch, dass er eine gute Partie für dich wäre?«
Seine Stimme war jetzt hart und trug einen grimmigen Unterton.
Francesca vergaß Leigh Anne sogleich und wurde
ganz starr vor Schreck. Er durfte niemals erfahren, dass sich Hart in den Kopf
gesetzt hatte, sie zu seiner Ehefrau zu machen! Die Halbbrüder waren Rivalen. Eifersucht,
Feindschaft und Misstrauen entzweiten sie, obwohl sie nach dem Tod
ihrer Mutter beide ein neues Zuhause bei Rathe Bragg und seiner Familie
gefunden hatten, da Calders Vater nichts von ihm hatte wissen wollen.
Die Erregung und die Eifersucht, die in Braggs
bemüht ruhiger Stimme mitschwangen, waren nicht zu überhören und sie machten
sich auch durch das Funkeln in seinen Augen bemerkbar. Francesca legte ihm eine
Hand auf den Unterarm, der sich selbst durch den Stoff des Wollmantels stark
und hart anfühlte. Sie bemerkte, dass sie zitterte. Wieder einmal war es Hart,
der das Boot zum Kentern brachte! Sie war dankbar, dass sein Halbbruder das genaue
Gegenteil darstellte: zuverlässig, vertrauenswürdig und berechenbar.
Es kam ihr so vor, als sei es schon einige Tage her, dass Hart ihr
seine Aufwartung gemacht hatte, obwohl doch erst ein paar Stunden seitdem
vergangen waren.
Rick hat recht. Meine Absichten sind nicht
platonisch.
Francesca hatte geglaubt, er wolle sie verführen – schließlich
versuchte er das bei jeder halbwegs attraktiven Frau, die seinen Weg kreuzte.
Ich gedenke Sie zu heiraten.
Francesca spürte, wie eine ungewohnt heftige Anspannung sie
überkam. Es war schwer, einen anderen zu beruhigen, wenn man selbst so
schrecklich beunruhigt war. »Es spielt keine Rolle, was meine Mutter will oder
was Hart will.« Sie zwang sich dazu, einen leichten Tonfall anzuschlagen und
zugleich Harts düsteres, sardonisches Bild aus ihrem Kopf zu verbannen. »Schon
vergessen? Mein Herz gehört dir – für immer und ewig.« Ihre Stimme klang
irgendwie eigenartig und sie räusperte sich. Nun war Hart an die Stelle von Leigh Anne gerückt, die bis vor kurzem noch
zwischen ihnen gestanden hatte. »Egal was auch geschehen mag, Bragg, mein Herz
wird immer dir gehören«, flüsterte Francesca und es war ihr ernst damit. »Und
ich werde dich in deinem Streben nach Reformen nach allen Kräften unterstützen.«
Ihre Blicke senkten sich ineinander.
Schließlich packte Bragg das Lenkrad mit seinen behandschuhten Händen.
Francesca war sich sicher, dass die Knöchel unter dem Leder weiß hervortraten.
»Du machst es mir nicht gerade leicht«, sagte er schließlich. »Ich verdiene
eine solche Loyalität nicht. Ich habe den ganzen Abend über dich nachgedacht,
Francesca, und das, obwohl wir es mit einem neuerlichen Mord zu tun haben. Bis
zur Klärung meiner ehelichen Angelegenheiten werde ich dir der beste Freund
sein, den man sich vorstellen kann, aber ich werde niemals wieder die
Beherrschung verlieren, wie es kürzlich abends geschehen ist.«
Seine Worte verletzten sie. Sie machten ihr
deutlich, dass das Ende ihrer Romanze gekommen war und sie von nun an einen
neuen Weg beschreiten mussten. Francesca war sehr, sehr dankbar, dass sie ihre
Liebe vor Leigh Annes Ankunft in New York nicht vollzogen hatten – und Bragg
hatte dabei eine sehr viel größere Beherrschung gezeigt als Francesca selbst.
»Das war meine Schuld«, sagte sie wahrheitsgemäß. »Ich habe mich dir an den
Hals geworfen.«
Er versuchte gar nicht erst, ihr zu
widersprechen. »Es ist vorbei«, sagte er. »Und es ist ja nichts Schlimmes
passiert«, fügte er mit einem Seitenblick in ihre Richtung hinzu, ganz so, als
bedauere er den Vorfall ebenfalls.
Sie rutschte unbehaglich auf ihrem Sitz hin und her. Sie fühlte
sich wegen dieser Episode nicht nur schuldig, sie schämte sich auch
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