Brenda Joyce
er aufbringen musste,
um seinen Körper zu zügeln. Seine Erregung war nach wie vor offensichtlich, und
Francesca begriff, dass Bragg alles tat, um nicht seinen niedersten Instinkten
nachzugeben. Er tat alles in seiner Macht Stehende, um sie mit Respekt zu
behandeln.
Nach einer Weile schlugen ihre Herzen wieder ruhiger, und das
Zittern ließ nach.
Bragg löste sich aus ihren Armen und sah ihr
in die Augen. Francesca vermochte weder zu lächeln noch zu sprechen. Die
Heftigkeit der Leidenschaft, die sie zwischen ihnen beiden verspürt hatte,
raubte ihr den Atem. Sie blickte ihn schweigend an, bis sie plötzlich bemerkte,
wie verzweifelt er aussah.
Eine Welle der Furcht überkam sie.
»Bragg?«,
flüsterte sie verunsichert. »Was ist los?«
»Sie sollten jetzt besser
gehen«, sagte er heiser. »Sie sind ohnehin schon spät dran. Aber morgen müssen
wir uns endlich einmal ernsthaft unterhalten.«
Eine innere Stimme sagte
Francesca, dass sie dieses Gespräch um jeden Preis vermeiden sollte.
Kapitel 15
SONNTAG, 2. FEBRUAR 1902 – 21.30 UHR
Auf dem
Heimweg dachte Francesca mit einem gewissen Unbehagen darüber nach, was Bragg
bei ihrem nächsten Treffen wohl mit ihr zu besprechen wünschte. Sie fürchtete,
dass bei dieser Unterhaltung nichts Gutes herauskommen würde.
Dann ging ihr durch den Kopf, was ihre Mutter wohl dazu sagen würde,
dass sie zu spät nach Hause kam. Sie wünschte, sie hätte ihr Wort nicht
gebrochen, denn beim nächsten Mal, wenn sie zu einer ungewöhnlichen Stunde in
die Stadt fahren wollte, würde ihre Mutter gewiss nicht mehr so entgegenkommend
sein. Sie konnte nur hoffen, dass sich Julia bereits in ihre Zimmer
zurückgezogen hatte. Das würde das Leben – für den Moment zumindest – viel
einfacher machen. Doch Francesca vermochte sich des Gefühls nicht zu erwehren,
dass das Leben niemals wieder wirklich einfach sein würde.
Die Kutsche hatte soeben die Ecke der
Sixty-third Street und der Fifth Avenue erreicht und bog nun auf die Fifth
Avenue ab. Es hatte aufgehört zu schneien, und der Park und die Fifth Avenue
waren mit einer frischen Schneeschicht bedeckt, die das Klappern der Hufe
dämpfte. Am schwarzblauen Nachthimmel standen einige Sterne und die hell
leuchtende Mondsichel. Obwohl es ein wunderschöner Anblick war, vermochte er
Francesca nicht aus ihrer bedrückten Stimmung zu reißen. Während die Kutsche
langsam auf die Villa ihrer Eltern zurollte, sah Francesca ihren Bruder,
der gerade die Treppe von seinem Privateingang herunterkam.
Evan hatte die Hände in den Taschen seines
Mantels vergraben und machte sich mit gesenktem Kopf zu Fuß auf den Weg in
Richtung Fifth Avenue. Er hatte sich einen Schal nachlässig um den Hals
geschlungen, trug aber keinen Hut. Francesca vermutete, dass er auf dem Weg zum
Metropolitan Club war, der nur einen halben Häuserblock weit entfernt lag, und
das Herz wurde ihr noch schwerer. Es war Sonntagabend – konnte ihr Bruder
nicht ein einziges Mal zu Hause bleiben? Mit wem wollte er sich nur treffen,
und warum?
»Jennings, halten Sie bitte an, ich möchte mit meinem Bruder
sprechen«, rief sie.
Als die Kutsche ihr Tempo verlangsamte,
blickte Evan auf und blieb stehen, als er sie als die seiner Eltern erkannte.
Francesca entriegelte das Fenster und schob es auf. »Hallo!«, rief sie mit
gespielter Fröhlichkeit. »Ist es warm genug, um zu laufen? Ich bin auf dem
Nachhauseweg. Wenn du einen Moment wartest, kannst du die Kutsche gern haben.«
»Hallo, Fran«, sagte Evan, trat auf die Tür
zu und schaute durch das Fenster zu seiner Schwester hinein. »Ich bin auf dem
Weg zum Club, deshalb gehe ich zu Fuß.« Er lächelte, woraus Francesca schloss,
dass er ihre unangenehme Auseinandersetzung vom Vortag vergessen hatte. Evan
war nun einmal nicht nachtragend.
Außer, wie es schien, wenn es um ihren Vater und die bevorstehende
Hochzeit ging.
»In den Metropolitan Club?«, fragte Francesca. »Komm, steig ein!
Jennings wird dich dort absetzen.«
Evan zögerte einen Moment lang, öffnete dann aber die Tür und
kletterte hinein. »Es ist eigentlich ein sehr schöner Abend«, sagte er, während
er es sich neben ihr gemütlich machte. »Mit dem Schnee ist es auch etwas wärmer
geworden.«
»Das habe ich gar nicht bemerkt«, erwiderte Francesca
stirnrunzelnd.
»Was ist denn los?«
»Ach, alles und nichts.« Sie versuchte ihren
Bruder anzulächeln, doch es wollte ihr nicht so recht gelingen.
»Ist es wegen Connie? Zumindest hast du sie
gesehen und
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