Brenda Joyce
konnte.
»Es ist ein Uhr«, setzte Hart an. »Ich habe
in einer halben Stunde in meinem Büro in der Pearl Street eine Besprechung mit
zwei Engländern, zwei Abgesandten aus China. Ich habe sehr lange und hart dafür
gearbeitet, dass dieser Termin zustande kommt. Ein wichtiger Frachtvertrag
hängt davon ab.«
»Und ich habe einen Toten am Hals, der
zufällig dein Vater gewesen ist. Lass uns gehen«, erwiderte Bragg mit
finsterem Blick. Francesca spürte, dass er allmählich die Geduld verlor. Er
packte Hart am Arm.
Der blickte seinen Halbbruder zornig an und schüttelte ihn ab.
»Jetzt kehrst du also den Vorgesetzten heraus, wie? Liegt das daran, dass du
endlich einmal die Macht dazu hast?«
»Nein, Calder, der Grund ist, dass dein Vater ermordet wurde und
du wissentlich über deinen Aufenthaltsort am Mordabend gelogen hast. Du hast
dir das alles selbst eingebrockt«, erwiderte Bragg kühl.
Hart starrte ihn wütend an. »Du platzt ja
förmlich vor Selbstherrlichkeit! Nun gut, dieses eine Mal hast du die Macht,
dieses eine Mal kannst du mir tatsächlich deinen Willen aufzwingen. Aber glaub
mir, Rick, hier geht es gar nicht um Randall – hier geht es nur um uns beide.«
Bragg lachte, aber dieses Lachen hatte einen
so eisigen Klang, dass es Francesca kalt den Rücken hinunterlief. »Ich habe geahnt,
dass du so denkst. Du hast nun einmal keinen Funken Ehre im Leib und kannst
daher nicht begreifen, nach welchen Prinzipien die meisten von uns leben. Es
ist meine Pflicht, Randalls Mörder zu finden, wer immer er – oder sie – auch
sein mag. Und es ist außerdem meine Pflicht, dich über deine irreführende
Aussage zu befragen. Du hast die Polizei angelogen, Calder. Das war keine gute
Idee, denn das ist ein Vergehen.«
»Dann erstatte doch Anzeige«, erwiderte Hart
kühl und wollte sich zum Gehen wenden.
Als Francesca sah, wie Bragg vor Wut rot anlief, streckte sie
spontan die Hand aus und rief: »Lassen Sie ihn gehen, Bragg! Er hat es nicht
getan!«
»Bitte mischen Sie sich nicht ein«, sagte er mit erstaunlich ruhiger
Stimme, worauf Francesca ihre Hand rasch wieder fallen ließ. »Bring mich nicht
dazu, dich verhaften zu müssen«, rief Bragg seinem Halbbruder hinterher.
Hart blieb wie angewurzelt stehen und drehte
sich um. »Vielleicht sollte ich genau das tun. Rathe und Grace wären sicherlich
begeistert.« Er lachte, aber das Lachen hatte einen hässlichen Klang.
»Du kannst freiwillig mit zum Präsidium kommen, oder ich werde
dich von meinen Beamten dorthin bringen lassen. Aber wir werden uns in aller
Ruhe in meinem Büro unterhalten – so oder so.«
Hart schüttelte den Kopf.
Francesca trat auf ihn zu und umklammerte seinen Arm. Selbst durch
den Mantel und das Jackett hindurch konnte sie seine harten Muskeln spüren.
»Hart! Sie müssen mit Bragg gehen und seine Fragen beantworten!«, flehte sie.
»Vergessen Sie, dass er Ihr Bruder ist – er ist der Commissioner, und er muss
den Mörder Ihres Vaters finden. Und Sie haben nun einmal gelogen«, fuhr sie
mit gesenkter Stimme fort.
Er blickte sie an. »Ich hatte Ihnen vertraut«,
sagte er.
Sie errötete und biss sich auf die Lippe. »Ich musste es Bragg
sagen. Er ist schließlich Ihr Bruder, und ich weiß, dass Sie Ihren Vater nicht
umgebracht haben. Aber durch diese Lüge haben Sie sich verdächtig gemacht. Wir
wollen Ihnen doch nur helfen, Calder!«
»Nein. Sie wollen mir helfen. Ihr Liebster dagegen würde
mich nur allzu gern hinter Gitter bringen.«
Francesca entfuhr ein Keuchen, und sie wollte gerade protestieren,
als Bragg ihr zuvorkam. »Das stimmt nicht, und das weißt du auch.«
Calder blickte seinen Bruder verächtlich an.
»Bitte machen Sie es nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon
ist«, sagte Francesca leise. »Bitte, Calder!«
Sein Blick schien weicher zu werden, als er für einen Moment auf
ihr ruhte. Dann sah er auf seine Taschenuhr und nickte.
»Na, schön. Nur die Überredungskünste einer
schönen Frau können mich trotz der Umstände dazu bewegen, einer Befragung
zuzustimmen.« Er schüttelte den Kopf, als könne er selbst nicht begreifen, was
er da tat.
Francesca trat erleichtert zurück und wandte sich lächelnd zu
Bragg um.
Doch er erwiderte ihr Lächeln nicht, sondern
musterte sie mit einem kalten Blick, der sie zusammenzucken ließ. War er etwa
auch auf sie wütend? Aber sie hatte doch nur versucht, ihm zu helfen – und die
drohende Auseinandersetzung abzuwenden.
»Lass uns gehen«, sagte er zu Hart.
»Einen
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