Brenda Joyce
ihren kriminalistischen Fähigkeiten gewiss sehr
beeindruckt sein.
Über die Köpfe der Trauergemeinde hinweg warf sie ihm ein kleines
Lächeln zu, was er aber nicht zu bemerken schien.
Ernüchtert strebte Francesca auf den Ausgang zu, schritt die
Treppe hinunter und fand sich mit Hart auf der Straße wieder. Sie entdeckte
Anthony sofort in einer Mietdroschke, die in zweiter Reihe neben einer anderen
Kutsche wartete, nicht weit von der Stelle entfernt, wo Bragg sein Automobil
geparkt hatte. Anthony schaute – offenbar auf der Suche nach Francesca – aus
dem Fenster, und als sich ihre Blicke begegneten, zog er sofort die Jalousie
herunter.
Francesca wandte sich zu Hart um, um sich zu verabschieden, als
sie Bragg oben auf der Treppe erblickte. »Dürfte ich Ihnen anbieten, Sie
mitzunehmen?«, fragte Hart. »Es wäre mir wirklich ein Vergnügen.«
Wie immer, wenn er sprach, war es ihm gelungen, seiner Stimme
eine beinahe unwiderstehliche Sinnlichkeit zu verleihen. Francesca blickte auf
und sah, dass Hart sie freundlich anlächelte. »Ich danke Ihnen für das
Angebot, aber ich muss noch einige Besorgungen erledigen«, erwiderte sie rasch.
Er betrachtete sie nachdenklich. »Ich setze sie gern ab, wohin
auch immer Sie Ihre Besorgungen führen mögen«, sagte er, während er seinen
Blick langsam über ihre Züge wandern ließ, ganz so, als genieße er es, sie
anzusehen.
Francesca errötete leicht und lehnte erneut dankend ab. In diesem
Augenblick trat Bragg auf sie zu und sagte: »Das wird nicht möglich sein,
Calder.«
Es war interessant zu beobachten, wie schnell
sich Calders Aussehen veränderte. Bevor Bragg den Satz ganz
beendet hatte, versteifte sich Hart, und sein Lächeln verwandelte sich in ein
höhnisches Grinsen. Sogar der warme Ausdruck in seinen Augen wich einem
boshaften und zugleich spöttischen Blick. »Alles ist möglich«, gab er kühl
zurück. »Aber ich fürchte, dass mein Herz nun gebrochen ist.« Er lächelte
Francesca an und legte eine Hand auf seine Brust.
Bragg trat näher auf seinen Halbbruder zu. »Ich muss dir ein paar
Fragen stellen«, sagte er. »Ich fürchte, es kann nicht warten. Du kannst gern
mit mir fahren, dann können wir uns unterwegs schon unterhalten, aber es wäre
mir lieber, wenn wir die eigentliche Unterhaltung in meinem Büro führen würden.«
Er deutete auf sein Automobil.
Ein Ausdruck der Überraschung huschte über Harts Gesicht. »Ich
fürchte, mein Nachmittag ist mit Terminen ausgefüllt. Heute ist nämlich Montag,
weißt du.«
»Es tut mir Leid, aber du wirst einen oder zwei deiner Termine
absagen müssen – je nachdem, wie lange unser Gespräch dauern wird«, erwiderte
Bragg höflich, aber bestimmt.
»Diese Termine sind ausgesprochen wichtig. Es
gibt nämlich Menschen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen.« Hart
grinste, aber dieses Grinsen hatte nichts Frohes an sich.
»Ich fürchte, du hast keine Wahl. Sei vernünftig, Calder. Du hast
die Polizei angelogen, und du bist der Sohn des Opfers. Möglicherweise kannst
du mir dabei helfen, diesen Fall zu lösen. Lass uns gehen. Schick deinen
Kutscher voraus. Es wird nicht lange dauern – wenn du kooperierst.«
Harts Lächeln war verschwunden. Er starrte Bragg an. »Könnte dein
plötzlicher Drang, mich zu vernehmen, möglicherweise etwas damit zu tun haben,
dass vor weniger als einer Stunde ein Reporter eine abfällige Bemerkung darüber
geäußert hat, wie du diesen Fall handhabst?«
Bragg musterte ihn kühl. »Vielleicht. Aber du kannst dir dabei
denken, was du willst – ich werde dir heute auf jeden Fall ein paar Fragen
stellen.«
Francesca hätte sich gern in den Wortwechsel eingemischt, wagte es
aber nicht.
»Ich bin ein viel beschäftigter Mann«,
begehrte Hart auf.
»Du kannst mit mir fahren, aber ich kann dich auch von einem
Polizei-Fuhrwerk ins Präsidium bringen lassen, wenn dir das lieber ist«,
erwiderte Bragg mit sanfter Stimme.
Francesca befürchtete, dass die Situation eskalieren könnte. Bragg
wollte Calder zu einem Verhör ins Präsidium mitnehmen? War das wirklich
notwendig?
»Bragg!«, rief sie bestürzt. »Du kannst Calder doch sicherlich
auch hier und jetzt ein paar Fragen stellen!«
Bragg warf ihr einen verärgerten Blick zu. »Wir sprechen uns
später, Francesca«, sagte er mit fester Stimme, und damit sollte sie wohl
entlassen sein.
Aber sie wagte es nicht zu gehen, da sie das Unwetter fürchtete,
das sich vor ihren Augen zusammenbraute und jeden Moment entladen
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