Brenda Joyce
Thirty-nineth
Street erreicht. In dieser Gegend gab es viele Geschäfte, und auf den Straßen
waren viele Arbeiter mit ihrer Ausrüstung, ihren Bündeln und Karren unterwegs.
Der Verkehr bestand hauptsächlich aus Fuhrwerken jeglicher Art, und Francesca
konnte weit und breit weder eine Straßenbahn noch eine Mietdroschke entdecken.
Sie verspürte kein besonderes Verlangen, allein durch dieses Viertel zu
spazieren.
In diesem Moment stand Mark Anthony auf, sprang aus der Droschke
und tippte sich an seinen Hut. »Bringen Sie die Dame, wohin auch immer sie zu
fahren wünscht«, sagte er zu dem Kutscher. »Es war mir ein Vergnügen, Sie
kennen zu lernen, Miss Cahill«, fuhr er an Francesca gewandt fort. »Es tut mir
Leid, aber wie es aussieht, sind Sie jetzt wohl diejenige, die für die Fahrt
bezahlen muss.« Er grinste breit.
Francesca, die seinen Trick gar nicht amüsant fand, fragte:
»Benötigen Sie denn nicht meine Adresse?«
»Für den 'Marmorpalast'? Nein, ich denke, ich weiß, wo der zu
finden ist.« Er grinste erneut und schlug mit der Faust gegen die Droschke, um
dem Kutscher zu bedeuten, dass er losfahren konnte.
»Eines würde ich gern noch wissen«, sagte Francesca. »Heißen Sie
wirklich Mark Anthony?«
Er lachte. »Oh, das ist nur einer von vielen Namen, die ich führe.«
Er wandte sich ab, drehte sich aber ebenso schnell wieder zu ihr um. »Und noch
eins – Georgette ist nicht meine Schwester.« Mit diesen Worten schritt er
lachend davon.
Francesca blickte ihm überrascht nach. Anthony
war gar nicht Georgettes Bruder? Aber wer war er dann? Gewiss war er nicht
Georgettes Liebhaber, schließlich war sie Randalls Mätresse gewesen. Aber
Francesca spürte, dass irgendetwas nicht stimmte, und sie hatte nicht die
Absicht, in eine Falle zu laufen. Ihr Instinkt sagte ihr, dass Anthony in den
Mord an Randall verstrickt war. Aber war er der Mörder? Wenn er Georgettes Liebhaber war, hätte er sicherlich ein Motiv
gehabt.
In ihren Augen war er verdächtiger als Georgette de Labouche oder
Hart. Als Francesca klar wurde, dass sie womöglich kurz davor stand, Randalls
Mörder zu finden, erschauerte sie vor Aufregung.
»Wohin soll's gehen, Miss?«, ertönte in diesem Moment die Stimme
des Kutschers.
Sie sammelte sich kurz und sagte dann entschlossen: »Zum
Polizeipräsidium.«
Das
Polizeipräsidium befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft von Mulberry Bend,
einem ärmlichen Viertel mit Schenken und Spelunken, die von Verbrecherbanden
und Ganoven frequentiert wurden, die dort alle möglichen krummen Geschäfte
einfädelten. Taschendiebe, Strolche, Prostituierte und Gauner jeglicher Couleur
zeigten sich nicht im Mindesten beeindruckt davon, dass das Polizeipräsidium
in der Nähe lag, sondern gingen unbekümmert ihren Geschäften nach, als stünden
keine Streifenbeamten an den Straßenecken. Jedes Mal, wenn Francesca zur
Mulberry Street Nummer 300 kam, war sie wieder aufs Neue erstaunt über die
Unverfrorenheit der Ganoven und die Gleichgültigkeit der Polizei.
Sie bezahlte dem Droschkenkutscher eine geradezu lächerlich hohe
Summe für die Fahrt – wobei sie sich ziemlich sicher war, dass sie betrogen
wurde – und stieg aus. Vor dem roten Sandsteinhaus, in dem das Präsidium
untergebracht war, standen zwei uniformierte Polizisten Wache. Sie machten
einen recht gelangweilten Eindruck und sahen einigen Jungen aus den
Augenwinkeln dabei zu, wie diese mit Murmeln um Geld spielten. Eine rothaarige
Frau in einem Pelzmantel, bei der es sich ganz offensichtlich um eine
Prostituierte handelte, stand gegenüber von den Polizisten auf der anderen
Straßenseite und versuchte ganz offensichtlich Freier anzulocken. Zwei Männer
saßen auf der Treppe eines Hauseingangs und tranken Bier. Francesca
bezweifelte, dass einer von ihnen überhaupt noch in der Lage gewesen wäre,
aufrecht zu stehen.
Sie stieg vorsichtig über einen Haufen Pferdemist und schritt dann
um einige matschige Abfallreste herum, ehe sie sicher auf dem Gehweg ankam.
Braggs Automobil, das direkt vor dem Präsidium parkte, war von einigen Männern
und Jungen und zwei weiteren Frauen von zweifelhaftem Ruf umringt, die es mit
großen Augen betrachteten.
Als Francesca an den beiden Polizisten vorbei
ins Präsidium ging, musterten diese sie neugierig. Francesca wusste aus
Erfahrung, dass Damen das Gebäude eigentlich niemals betraten.
In der Vorhalle ging es wie immer geschäftig
zu. Mehrere uniformierte Beamte, von denen Francesca einen erkannte,
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