Brenda Joyce
Jungen und einem kleinen
Mädchen zeigte. Alle lächelten. Es handelte sich um Ricks Halbschwester, Lucy
Savage, und ihre Kinder.
Hart wusste, dass Bragg Lucy als seine Schwester betrachtete, doch
das war sie nicht, denn in ihren Adern floss nicht das gleiche Blut.
Es standen noch andere Fotos auf dem Sims,
unter anderem eines, auf dem Rick mit dem Bürgermeister von New York, Seth
Lowe, zu sehen war, und ein anderes, das ihn zusammen mit Theodore Roosevelt
auf den Stufen vor einem Regierungsgebäude zeigte. Hart fragte sich, wo wohl
die restlichen Familienfotos sein mochten. Zweifellos besaß Rick Dutzende.
Bragg nahm eine dünne Aktenmappe von seinem
Schreibtisch. »Deine Behauptung, dass du so viele Stunden allein in deiner
Villa verbracht hast, wird vor keinem Gericht der Welt standhalten. Ein guter
Staatsanwalt könnte ein solches Alibi sehr rasch gegen dich verwenden.«
»Das dachte ich mir bereits«, sagte Hart. »Wobei du wohl kaum eine
Träne vergießen würdest, wenn ich hinter Gittern landen sollte.«
Bragg musterte ihn eingehend. »Falls du schuldig bist, gewiss
nicht, Calder.«
»Und wenn ich es nicht bin?«
»Wenn du nicht der Mörder bist,
so werde ich ihn finden.«
»Welch eine Entschlossenheit!«,
spottete Hart. »Der gute Bruder prescht wieder einmal auf seinem weißen Ross
davon, um für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen.«
Braggs Gesicht nahm einen angespannten
Ausdruck an. Er trat auf seinen Bruder zu, bis sie sich Auge in Auge
gegenüberstanden. Bragg war ein paar Zentimeter größer und etwas kräftiger als
Hart, seine Schultern waren breiter. »Warum in Gottes Namen hast du das
Dienstpersonal an jenem Abend weggeschickt?«
»Mir war danach«, entgegnete Hart leichthin.
Bragg starrte ihn an. »Ich weiß, wie groß dein Hass auf Randall
gewesen ist; das war dein ganzes Leben lang so. Ich war immerhin dabei – oder
hast du das schon vergessen?«, fragte er leise und nicht sehr freundlich.
Hart weigerte sich, jemals über die Zeit ihrer
Kindheit vor Lilys Tod nachzudenken. »Ja, Rick, ich habe meinen Vater gehasst.
Das würde ich sogar vor Gericht unter Eid bestätigen«, gab Hart zurück. »Ts ts
ts. Was für ein schrecklicher Mensch ich doch bin.« Hart gab vor zu erschauern
und lachte dann.
»Spar dir das Getue für ein interessiertes Publikum auf!«, fuhr
ihn Bragg an. »Die eigentliche Frage lautet, hast du es nun getan oder nicht?«
»Ich werde mich nicht wiederholen.«
»Warum also die Lüge? Darauf hätte ich gern eine Antwort, Calder.«
»Ich habe nun einmal einen erstaunlichen Selbsterhaltungstrieb«,
erwiderte Hart.
»Ja, den hast du immer schon gehabt.« Bragg
seufzte. »Ehrlich gesagt, halte ich dich für viel zu klug, um Randall von hinten zu
erschießen. Du magst überaus hitzköpfig und leidenschaftlich sein, aber du
bist auch einer der intelligentesten Menschen, die ich kenne.«
»Danke für die Blumen«, sagte Hart mit einem ironischen Unterton.
Ausnahmsweise stimmte er Bragg einmal zu.
»Du hast deinen Vater schon so viele Jahre gehasst, warum solltest
du ihn also ausgerechnet jetzt umbringen? Mir fehlt einfach das Motiv«, sagte
Bragg.
Hart ließ
ihn nicht aus den Augen, erwiderte aber nichts.
»Ach, jetzt
komm schon! Oder verachtest du mich etwa so sehr, dass du deine Gedanken nicht
mit mir teilen willst?«
Hart
lächelte. »Es ist nicht meine Aufgabe, deine Arbeit zu erledigen. Immerhin
hast du sie freiwillig übernommen.« Er schüttelte den Kopf. »Auch wenn wir
zusammen aufgewachsen sind, so versetzen mich deine Ambitionen doch immer
wieder aufs Neue in Erstaunen. Wieso um alles in der Welt sollte jemand
freiwillig die Stelle des Polizeichefs in dieser Stadt haben wollen?«
»Ich bin der Polizei-Commissioner dieser Stadt – einen Polizeichef
muss ich erst noch ernennen. Und irgendjemand muss doch endlich etwas gegen die
Korruption in den Reihen der Polizei unternehmen.« Bragg lehnte sich mit der
Hüfte gegen den Schreibtischrand. »Aber ich erwarte nicht, dass du verstehst,
was mich motiviert.«
»Wird es denn mit der Zeit nicht langweilig, immer der Gute zu
sein?«
»Sag mir lieber, wer Randall gern tot gesehen
hätte.«
»Abgesehen von mir? Keine Ahnung. Ich hatte nichts mit dem Mann zu
schaffen, wie du ja weißt.«
»Aber du hast am Dienstagabend mit ihm
gegessen, nicht wahr? Machte er da einen aufgeregten, vielleicht sogar verängstigten
Eindruck?«
»Nein.«
»Warum plötzlich dieses freundschaftliche Gebaren? Wann hattest du
dich
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