Brenda Joyce
Rick, der König der Bullen! «
»Vielleicht würde dir eine Nacht im Stadtgefängnis gut tun.« Hart
erstarrte. »Nur zu, versuch es doch«, erwiderte er. »Meine Anwälte hätten mich
spätestens in einer Stunde wieder da rausgeholt – falls du es überhaupt wagen
solltest, Anzeige gegen mich zu erstatten.«
»Vielleicht sollte ich deine Anwälte
tatsächlich einmal auf die Probe stellen, um zu prüfen, wie fähig sie sind«,
sagte Bragg. Die beiden Männer starrten einander an. Da war sie wieder, die
alte Rivalität, die schon immer zwischen ihnen existiert hatte, solange Hart
denken konnte. Die Feindseligkeit, das Bedürfnis zu beweisen, dass er selbst
stärker, besser, klüger als sein Bruder war. Als sie noch Kinder waren, hatten
ihre Kämpfe zumeist unentschieden geendet. So oft, wie Lily Bragg von Harts
Rücken heruntergezerrt hatte, hatte sie Hart von dem seines älteren Bruders
heruntergezerrt. Einmal hatte Calder Rick im Kampf sogar ein Stück von seinem
Ohr abgebissen. Die Narbe – wenn auch klein – war immer noch zu sehen. »Tu's
doch!«, gab Hart jetzt zurück, der diese Auseinandersetzung genoss.
Rick blickte ihn schweigend an, doch dieses Mal nahm er den
Fehdehandschuh nicht auf, sondern schüttelte nur angewidert den Kopf.
In diesem Moment war die Tür aufgeflogen und hatte Hart im Rücken
getroffen. Die Brüder starrten Francesca verblüfft an. »Bitte, hören Sie auf!«,
rief sie aufgeregt.
Die Überraschung wich aus Braggs Gesicht und verwandelte sich in
Verdruss.
Francesca errötete. »Bitte – Sie sind doch
Brüder!« Sie zögerte einen Moment lang und spürte, dass ihr die Tränen in die
Augen traten. »Das ist doch einfach schrecklich«, fuhr sie schließlich fort,
als sich keiner der Männer rührte oder einen Ton sagte. »Denken Sie doch nur
einmal daran, was Sie damit Ihren Eltern, Rathe und Grace, antun.«
Hart gab ein verächtliches Schnauben von
sich. »Ich habe keine Eltern«, erwiderte er. »Meine Eltern sind tot. Rathe und
Grace sind seine Eltern.«
»Sie haben sich nichts sehnlicher gewünscht, als auch deine zu
werden, aber das hast du ja nicht zugelassen«, sagte Bragg nun wieder mit
ruhiger Stimme.
»Meine Anwälte werden sich freuen, von dir zu hören«, gab Hart mit
finsterem Blick zurück. Er nickte Francesca zu und verließ mit großen Schritten
den Raum.
Francesca erschauerte.
Bragg wandte sich ab, und sie hörte, wie er einen tiefen Seufzer
ausstieß. Ohne darüber nachzudenken, was sie tat, trat sie auf ihn zu und legte
ihm ihre Hand auf die Schulter. Sie spürte, dass seine Muskeln angespannt
waren. »Es tut mir ja so Leid, Bragg«, flüsterte sie.
Er seufzte erneut. »Das weiß ich doch. Aber
er ist nun einmal ein unmöglicher Mensch.« Dann wandte er sich abrupt zu ihr
um. »Jetzt hören Sie mir einmal ganz genau zu, Francesca. Ich kenne Sie
inzwischen gut genug, um zu wissen, dass Sie meinen, ständig allen und jedem
helfen zu müssen, und ich kenne auch Calder, der es liebt, Menschen zu
verführen. Glauben Sie mir, Calder ist nicht zu helfen. Die Dämonen, die ihn
quälen, hat er selbst erschaffen. Sparen Sie also Ihr Mitleid für jemanden
auf, dem es etwas nützt.«
Francesca musterte ihn kritisch. »Aber es besteht doch immer
Hoffnung und außerdem ...« Sie brach ab.
»Und außerdem was? Außerdem ist er kein schlechter Mensch, wollten
Sie sagen? Doch das ist er!«, rief Bragg.
Tatsächlich hatte er ihr die Worte aus dem Mund genommen. »Ich
glaube, dass Sie Recht haben. Ich glaube, er sehnt sich nach Aufmerksamkeit,
und die einzige Möglichkeit, sie zu erlangen, besteht in seinen Augen darin,
den Bösen zu spielen.«
»Ich warne Sie, Francesca, er hat eine
grausame Seite. Immerhin bin ich mit ihm aufgewachsen und muss es wissen.
Großer Gott, er war mein kleiner Bruder! Unsere Mutter war immer so müde. Als
kleines Kind von vier oder fünf Jahren war ich schon verantwortlich für Calder.
Ich weiß noch, dass ich mir ständig Sorgen um ihn gemacht habe, ihm andauernd
aus der Klemme helfen, ihn vor Schaden bewahren musste. Einmal wäre er fast von
einem Fuhrwerk über den Haufen gefahren worden, wenn ich nicht auf die Straße
gelaufen wäre und ihn fortgezerrt hätte. Ich weiß noch, wie er eines Tages eine
Geldbörse stahl, die ich an Ort und Stelle zurücklegte, bevor jemand den
Diebstahl bemerkte. Glauben Sie mir, er hat sich ständig in irgendwelche
Schwierigkeiten hineingeritten.« Bragg wandte sich ab, trat vor den erkalteten
Kamin und
Weitere Kostenlose Bücher