Brenda Joyce
wenn er das
niemals zugeben würde. Francesca war sich darüber im Klaren, dass er seine
riskanten, aber überaus lukrativen Diebestouren nicht so bald aufgeben würde.
Die Droschke, die Francesca auf der Fifth Avenue herbeigewunken
hatte, nachdem sie sich durch die Küchentür aus dem Haus geschlichen hatte,
hielt vor dem Haus mit der Nummer 201, in dem Joel und seine Familie lebten.
Francesca zögerte.
Sollte sie hinaufgehen und an die Tür der Kennedys klopfen? Maggie
würde wütend sein. Welche Mutter ließ ihren Sohn schon um diese Zeit aus dem
Haus? Aber immerhin ging es um eine Frau, die in Schwierigkeiten steckte und
verzweifelt auf Francesca wartete.
Sie reichte dem Kutscher einen Dollar. »Bitte warten Sie«, sagte
sie mit fester Stimme, »es wird nur einen Augenblick dauern.« Sie hatte dieses Spiel schon einmal ohne Erfolg gespielt.
Nachdem sie den letzten Kutscher überaus großzügig bezahlt hatte,
damit er auf sie wartete, war er ohne sie davongefahren und hatte sie in einem der schlimmsten Viertel der Stadt inmitten von
Bordellen und Spielhöllen zurückgelassen. Sie lächelte. »Wenn Sie auf mich
warten, werde ich Ihnen für die Weiterfahrt den doppelten Fahrpreis zahlen.«
Er riss vor Überraschung die Augen auf. »Ich werde hier sein,
Ma'am«, versprach er.
Und Francesca glaubte ihm. Sie war stolz darauf, dass sie nicht
der Typ Frau war, die den gleichen Fehler zwei Mal beging.
Als sie aus dem Einspänner stieg, wäre sie beinahe auf dem vereisten
Bürgersteig ausgerutscht. Vorsichtig ging sie zum Eingang der Nummer 201
hinüber und betrat das Haus. In dem engen, dunklen Treppenhaus empfingen sie
die übelsten und widerwärtigsten Gerüche.
Francesca stieg die Treppe hinauf. Hätte sie doch nur eine Kerze
oder wenigstens ein Streichholz gehabt! Ihr schoss durch den Kopf, dass sie ab
sofort nur noch mit einer größeren Handtasche durch die Stadt fahren sollte, um
einige nützliche Dinge mitnehmen zu können. In Gedanken fügte sie ihrer Liste,
auf der bisher nur eine kleine Pistole stand, Streichhölzer hinzu. Außerdem war
sie wild entschlossen, einen Weg zu finden, wie sie den Kennedys helfen konnte.
Endlich stand sie vor der Wohnungstür und
klopfte vorsichtig an.
Die Tür wurde beinahe umgehend geöffnet, und
Francesca stellte überrascht fest, dass Maggie trotz der vielen Stunden, die
sie in der Fabrik arbeitete, offenbar noch nicht geschlafen hatte. Ein Licht
brannte in dem Zimmer, das zugleich als Wohnzimmer und Küche diente. In der
Ecke stand eine Wanne, und an der Matte auf dem Boden erkannte Francesca, dass
Maggie in diesem Raum auch schlief. An der gegenüberliegenden Wand befand sich
eine Tür, die einen Spaltbreit geöffnet war. Sie führte in ein weiteres Zimmer,
in dem die drei Kinder schliefen.
Auf dem Küchentisch stand eine Nähmaschine, daneben lagen ein Nadelkissen
und verschiedene Garnrollen. Francesca sah, dass Maggie einen wunderschönen
Stoff verarbeitete, und vermutete, dass sie zu dieser späten Stunde gewiss
nicht für Moe Levy arbeitete. Das Schnittmuster lag zusammengefaltet auf einem
Stuhl.
Maggie blickte Francesca aus müden blauen Augen an. »Miss
Cahill?«, fragte sie erstaunt.
Francesca lächelte. »Es tut mir Leid, dass ich Sie zu so später
Stunde noch störe«, sagte sie.
»Ist was passiert? Sind Sie ... allein?« Maggie spähte in den
dunklen Hausflur. Sie machte keine Anstalten, Francesca hereinzubitten.
»Ja, jemand steckt in Schwierigkeiten. In ernsten Schwierigkeiten,
wie ich fürchte.« Francesca zögerte. »Ich habe Angst, so spät noch allein in
der Stadt herumzulaufen, und meine Eltern würden mich umbringen, wenn sie
erführen, dass ich nicht zu Hause in meinem
Bett liege. Besteht die Möglichkeit, dass ich Joel als meinen Führer
beschäftige?« Dieser Einfall war ihr erst im letzten Moment gekommen. Auf diese
Weise könnte sie Joel für seine Mühe großzügig bezahlen, wodurch sie sozusagen
zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hätte. »Er ist nich zu Hause«,
erwiderte Maggie, und für einen kurzen Moment nahm ihr Gesicht einen wütenden
Ausdruck an. »Er macht mal wieder, was er will. Paddy sagt, er ist, kurz bevor
ich nach Hause kam, weggegangen, und ich bin seit 'ner Stunde hier. Ich
fürchte, ich kann Ihnen nich helfen.« Sie zögerte, als sei sie sich nicht
sicher, was sie als Nächstes sagen sollte.
Francesca wurde bewusst, wie sehr sie sich
darauf verlassen hatte, Joel an ihrer Seite zu haben, während sie Georgette
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