Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
Vom Netzwerk:
hinaus; denn war das einmal geschehen, gab es kein Zurück mehr. Es würde alles von vorn beginnen, was nur dann einen Sinn hatte, wenn feststand, daß sie das Wetter kein zweites Mal narrte.
    In dieser Situation überbrachten Kundschafter die Nachricht, daß der Weg – oder was von ihm übriggeblieben war – nicht weit vom Lager endete. Eine Überprüfung ergab eine noch größere Überraschung: Er endete keineswegs, sondern machte nur einen schroffen Knick und führte, einen spitzen Winkel bildend, wieder Richtung Norden. Vermutlich war es so (und das sollte sich später bestätigen), daß beide Wegteile eine Gruppe ehemaliger Siedlungen verbanden, die ansonsten durch einen unüberwindlichen Sumpf voneinander getrennt waren.
    Froh, dem Heer das schwierige und kaum wiederholbare Wendemanöver ersparen zu können, befahl der König sofort den Aufbruch. Unterwegs wurde er nachdenklich. Da der Gegner die Belästigungen eingestellt hatte, durfte man davon ausgehen, daß er sie absichtlich auf den Seitenpfad gedrängt hatte. Auch mußte er gewußt haben, daß sie gezwungen sein würden, in absehbarer Zeit wieder auf der Handelsstraße zu erscheinen. Trafen beide Annahmen zu, konnte sein Ziel jedoch kaum darin bestanden haben, sie von der Brandenburg einfach fernzuhalten. Offenbar hatte er Zeit gewinnen wollen – doch wozu? Auf diese Frage gab es nach genauem Überlegen eigentlich nur eine einzige Antwort.

4
    W ENN JEMAND LÄNGERE Zeit Kälte, Furcht und Ungewißheit ertragen muß, an Krankheiten und Wunden leidet, beinahe jeden Schritt, den er tut, widrigen Umständen abzuringen hat und keine Aussicht besteht, daß diese Beschwernisse bald enden, wird man ihm zubilligen, daß er übel dran ist. Selbst ausgesprochene Frohnaturen im Heer des Königs Heinrich ließen inzwischen die Köpfe hängen. Zwei Menschen jedoch fühlten sich nicht bloß unwohl, sondern sterbenstraurig; dies, obschon sie es viel leichter hatten als die meisten.
    Bischof Bernhard war der eine. Während andere durch den Schlamm waten oder im Pfeilhagel Wege ausbessern mußten, saß er, in Pelze gehüllt, in einem besonders geschützten Wagen. Er brauchte keinen Handschlag zu tun, trug keine Verantwortung, war weniger gefährdet als sogar der König und hätte folglich allenfalls an Langeweile leiden dürfen. Tatsächlich war er so unglücklich wie noch niemals seit seiner Kindheit.
    Seine hohe Meinung von sich, sein ganzes Selbstgefühl beruhten auf der Annahme, daß er über besondere Fähigkeiten verfügte und ein Mann mit solchen Eigenschaften und von solchem Rang immer und überall von größtem Nutzen sei. Zu dieser Auffassung war er nicht durch Nachdenken gelangt. Alles, was er in den letzten Jahren getan und erfahren hatte, hatte ihn darin bestärkt, so daß er an ihrer Richtigkeit genauso wenig zweifelte wie beispielsweise daran, daß er, sobald er dies nur wollte, den Arm senken oder heben konnte. Wenn er ein Dorf besuchte, eine Kirche weihte, über Sünder Bußen verhängte, armen Leuten die Füße wusch und sie beschenkte, ja selbst, wenn er (ohne davon Aufhebens zu machen) das Wasser, das er trank, mit etwas Wein mischte (um zu zeigen, wie sehr er sich vor eitlem Ruhm fürchtete) – stets waren Menschen um ihn gewesen, die seinen Handlungen eine außergewöhnliche Bedeutung beimaßen oder so taten, als wäre das der Fall – ein Unterschied, der für das Empfinden auf die Dauer bekanntlich an Gewicht verliert.
    Hier war nun alles anders. Daran gewöhnt, allein durch sein Erscheinen Verzückung oder Furcht hervorzurufen, mußte Bernhard die bedrückende Erfahrung machen, daß solche Wirkungen anscheinend gar nicht mit seiner Person zusammenhingen, jedenfalls nicht so unlösbar, wie er immer geglaubt hatte. Scham erfüllte ihn, wenn er daran dachte, wie er gleich einem Hirtenhund in der ersten Woche ständig zwischen der Vorhut und der Nachhut hin und her geprescht war, felsenfest überzeugt, daß sein bloßer Anblick die Männer aufrichtete und ihnen Mut verlieh. Einen Bischof bekamen sie schließlich nicht alle Tage zu sehen. Das ging so lange, bis ihn Graf Siegfried schonend ersuchte, davon abzulassen, weil er und sein Gefolge die anderen beim Vorwärtskommen störten.
    Inzwischen hatte Bernhard längst begriffen, daß seine Anwesenheit im Heer niemand beglückte. Am wenigsten wohl den Mann, an dessen Achtung ihm das meiste lag. Es konnte keine Rede davon sein, daß er dem König näher gekommen wäre, und nichts deutete darauf

Weitere Kostenlose Bücher