Brennaburg
Stärke für die höchsten aller Tugenden hielt, liebte er den Kampf. Bisher hatte er ihn allerdings nur als ein zwar nicht ungefährliches, doch selten tödliches Spiel erlebt. Man schlug sich nach bestimmten Regeln, hinterher half man einander auf, lachte gemeinsam und trennte sich ohne Groll.
Seine Vorstellungen über den Krieg waren davon geprägt: ein frisch-fröhliches Dreinhauen, das beiden Seiten die Möglichkeit bot, sich zu erproben; dem Sieger winkte ein Preis, der hier Beute genannt wurde. Ein Kampfspiel gewaltigen Ausmaßes sozusagen. Man raubte oder wurde beraubt, tötete oder wurde getötet – das war entweder vergnüglich oder betrüblich, niemals jedoch ein Grund zum Klagen. Nur krummrückige Bauern, denen es Spaß machte, Tag für Tag mit mistigen Füßen hinter einem Pflug zu laufen, mochten darüber anders denken; dem Dasein des Edelings verlieh erst der Kampf Sinn und Würde.
Freilich, es gab auch Erscheinungen, die ihn verwirrten. Noch als Knabe hatte er erlebt, wie sich gefangene Straßenräuber gegen Lohnfechter verteidigen mußten; von diesen besiegt, wurden jene anschließend gehenkt. Er hatte verstümmelte Menschen gesehen und Auspeitschungen beigewohnt. Einmal, zwei Jahre lag das jetzt zurück, war er Augenzeuge eines Gottesurteils gewesen. Eine Magd, des Giftmordes bezichtigt, wurde gezwungen, in einem mit Wachs getränkten Kleid zwischen brennenden Holzstößen hindurchzugehen. Von Ketten beschwert, schleppte sie sich dahin, schrie gellend, als das Wachs zu schmelzen begann. Fast hätte sie es trotzdem geschafft, da verwandelte sie ein Windstoß in eine lebende Fackel.
Er mochte so etwas nicht, hatte sich niemals gedrängt, dabei zuzuschauen. Doch da sein Vater nie Zeit gefunden hatte, ihn mit den Selbstverständlichkeiten der Macht vertraut zu machen (von ihren Geheimnissen ganz zu schweigen), lebte Otto in dem Glauben, dergleichen komme nur ausnahmsweise vor, und im übrigen seien die Menschen so, wie sie sich in seiner Gegenwart benahmen: fröhlich, gutmütig, selbstlos und stets darauf bedacht, dem König, den sie liebten, einen Dienst zu erweisen.
Das hatte sich nun geändert. Angefangen hatte es mit jener Hinrichtung am Morgen des zweiten Tages. Der Befehl seines Vaters, diesen Mann für die noch nicht einmal begangenen Taten anderer büßen zu lassen, hatte Otto mit Entsetzen erfüllt. Er hatte versucht, die Erinnerung daran zu verdrängen, aber das gelang ihm nicht. Hellhörig geworden, begann er, genauer auf die Gespräche zu achten, die der Vater und Graf Siegfried führten, wenn sie unter sich waren, und bald dämmerte ihm, daß dieser Bauer nicht einer unbegreiflichen Anwandlung zum Opfer gefallen war, sondern einer Haltung, der Mitleid nicht minder verächtlich war als Furcht. Offenbar konnte er nur dann König werden, wenn er sich von diesem ihm so natürlichen Gefühl befreite und hart wurde wie sie. Doch alles in ihm wehrte sich dagegen. Manchmal war ihm daher, als habe er keine Zukunft.
Seit einem Tag befand sich das Heer wieder auf der Handelsstraße. Während einer Rast vernahmen die Männer plötzlich ein dumpfes Klopfen. Verbissen senkten sie die Köpfe. Mehr als einmal war man auf dieses Geräusch hin nach vorn geeilt und dann regelmäßig aus dem Dickicht heraus beschossen worden. Diejenigen, die wirklich Bäume fällten, um Sperren zu errichten, taten das erfahrungsgemäß so weit entfernt von ihnen, daß sie nicht mehr zu hören waren.
Diesmal klang das Klopfen jedoch anders als sonst. Auch ertönte es in größeren Abständen, nicht, wie von Menschen erzeugt, die darauf brannten, sie in eine Falle zu locken. Sollten da tatsächlich ein paar Lebensmüde am Werke sein? Dann durfte man sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mit ihnen abzurechnen. Vielleicht wollten sie sogar, daß ihr Gegner, mittlerweile mürbe geworden, das übliche Täuschungsmanöver vermutete, und lachten sich heimlich ins Fäustchen. Fiel man darauf herein, bezahlte man das hinterher mit dem Vergnügen, ihnen zum Spott die umgestürzten Bäume wegräumen zu müssen. Und so wurde der König von seinen Kriegern mit der Forderung bestürmt, den übermütigen Holzfällern auf den Pelz zu rücken.
Heinrich zögerte lange, sah aber schließlich ein, daß er etwas unternehmen mußte. Daher beauftragte er Graf Siegfried, mit vier Dutzend Reitern die Lage aufzuklären. Jeder von ihnen mußte einen Eisenhelm aufsetzen und außer der großen Brünne zusätzlich einen hüftlangen
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