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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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einem Feuer oder einem Unfall zu halten, gab aber, nachdem er nichts dergleichen bemerkt hatte, wieder Gas.
    Eines aber war seltsam: Niemand von denen, die wach waren, wußte die Wahrheit. Vielleicht hegten manche eine Vermutung, aber ihr Verdacht war vage und ungeformt. Dennoch hatten sie alle in Laden oder alten Truhen nach religiösen Symbolen ge-kramt. Sie taten das, ohne viel zu denken, wie ein Mann am Lenkrad seines Wagens manchmal singt, ohne es zu wissen. Sie gingen langsam von Zimmer zu Zimmer, als seien ihre Körper zerbrechlich geworden, und sie drehten alle Lichter an. Sie sahen nicht zum Fenster hinaus.
    Das vor allem: Sie sahen nicht zum Fenster hinaus.
    Ganz gleich, wie furchtbar das Unbekannte sein mochte, es gab etwas, das schlimmer war: den Gorgonen ins Gesicht schauen zu müssen.
    Der Lärm bohrte sich in seinen Schlaf wie ein Nagel, der in hartes Eichenholz getrieben wird. Zuerst glaubte Reggie Sawyer, daß er von einer Tischlerei träume; im Schattenland zwischen Schlaf und Erwachen sah er sich mit seinem Vater Bretter an die Hütte nageln, die sie vor Jahren am Bryant-Pond errichtet hatten.
    Das Bild wurde von der undeutlichen Vorstellung überlagert, daß er gar nicht träume, sondern tatsächlich ein Hämmern höre.
    Dann war er wach, und die Schläge fielen auf die Haustür - mit der Regelmäßigkeit eines Metronoms schlug jemand auf das Holz ein.
    Zuerst fiel Reggies Blick auf Bonnie, die tief unter der Decke vergraben neben ihm lag. Dann auf die Uhr; es war ein Viertel nach vier Uhr.
    Reggie stand auf und schloß die Schlafzimmertür hinter sich. Den Kopf zur Seite gebeugt, schaute er verwundert auf die Eingangstür. Niemand pflegte um vier Uhr morgens anzuklopfen. Wenn jemand aus der Familie krank war, rief man an.
    Er war 1968 sieben Monate lang in Vietnam gewesen, ein hartes Jahr war das für die amerikanischen Soldaten dort, und er hatte gesehen, wie man kämpft. In jenen Tagen wachte man so schnell auf, wie man mit den Fingern schnippt oder ein Licht anklickt; vor einer Minute schlief man noch wie ein Maultier, und in der nächsten war man bereits wach in der Dunkelheit.
    Diese Gewohnheit hatte sich erst verloren, als er mit dem Schiff zurück in die Staaten gefahren war, und er war darauf stolz gewesen, auch wenn er nie davon sprach. Bei Gott, er war keine Maschine. Knopf drücken und Johnny wacht auf, Knopf drük-ken und Johnny tötet.
    Aber jetzt, ohne Vorwarnung, fiel die ganze Dumpfheit und Verschlafenheit der Nacht von ihm ab, wie eine Schlangenhaut, und er war kühl und wachsam.
    Reggie ging ins Wohnzimmer, nahm sein Gewehr vom Ständer und spannte den Hahn. Das Hämmern an der Tür ging weiter, ohne Rhythmus, aber regelmäßig.
    »Herein«, rief Reggie Sawyer.
    Die Schläge hörten auf.
    Eine lange Pause, dann drehte jemand den Türknopf. Corey Bryant stand in der Tür.
    Einen Augenblick lang spürte Reggie seinen Herzschlag aussetzen. Bryant trug die selben Kleider wie damals, als Reggie ihn auf die Straße geworfen hatte. Jetzt waren sie schmutzig und zerlumpt. An Hose und Hemd klebten Blätter. Ein Schmutzstreifen betonte die Blässe seines Gesichtes.
    »Bleib stehen«, sagte Reggie und hob das Gewehr. »Diesmal ist es geladen.«
    Aber Corey Bryant trottete weiter; seine trüben Augen fixierten Reggie mit einem Ausdruck, der schlimmer war als haßerfüllt. Coreys Zunge kam hervor und fuhr über die Lippen. In seinem Gang lag etwas Erbarmungsloses. Endgültiges. Es gab keinen Befehl, der ihm Einhalt gebieten, kein Flehen, das ihn aufhalten hätte können.
    »Noch einen Schritt, und du hast eine Kugel in deinem Scheißkopf.« Die Worte kamen hart und trocken. Dieser Kerl war mehr als betrunken. Er war verrückt. Reggie wußte mit plötzlicher Sicherheit, daß er ihn erschießen mußte.
    »Stopp«, sagte er nochmals, beinahe gleichgültig.
    Corey Bryant blieb nicht stehen. Seine schweren Schritte dröhnten auf dem Fußboden.
    Hinter ihnen schrie Bonnie auf.
    Reggie drückte ab.
    In dem schmalen Vorraum klang der Schuß wie ein Donner-schlag. Der Geruch von verbranntem Pulver erfüllte die Luft.
    Coreys geschwärztes Hemd war nicht durchlöchert, es zerfiel.
    Doch als es von seinen Schultern glitt, zeigten weder Brust noch Magen eine Wunde. Reggie glaubte zu sehen, daß das Fleisch gar kein wirkliches Fleisch war, eher etwas so Insubstantielles wie ein hauchdünner Schleier.
    Das Gewehr wurde ihm aus der Hand geschlagen und er selbst mit unglaublicher Kraft an die Wand

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