Brennen Muss Salem
Dollar, die er bei sich gehabt hatte, hatten nur für einige Gläser Bier gereicht. Geht bergab mit mir, dachte er, und rieb eine Seite seines Gesichts.
Er zog das Unterhemd an, das er im Sommer und im Winter trug, zog seine grünen Arbeitshosen an und öffnete den Schrank, um sein Frühstück herauszuholen - eine Flasche warmes Bier für hier heroben und eine Schachtel Haferflocken für unten. Er haßte Haferflocken, aber er hatte der Witwe versprochen, ihr beim Säubern des Teppichs zu helfen, und vermutlich hatte sie noch einige andere Arbeiten für ihn.
Es machte ihm nichts aus - nicht wirklich -, aber es war ein Abstieg, verglichen mit den Tagen, als er noch mit Eva Miller das Bett teilte.
Ihr Mann war 1959 in der Sägemühle tödlich verunglückt, und das war irgendwie komisch gewesen, wenn man einen so schrecklichen Unfall komisch nennen konnte. Damals waren sechzig oder siebzig Menschen in der Sägemühle beschäftigt, und Ralph Miller hatte gute Aussichten, Präsident des Unternehmens zu werden.
Das Unglück war komisch, weil Ralph Miller seit 1952 keine Maschine mehr angerührt hatte; seit er vom Werkmeister zum Büroangestellten avanciert war. Das war ein großer Sprung, und Weasel nahm an, daß Ralph ihn verdient hatte.
Sieben Jahre später fiel er, während er einigen Besuchern aus Massachusetts die Fabrik zeigte, in eine Schnitzelmaschine.
Weasel besah sich in dem mit Wasser bespritzten Spiegel und kämmte sein weißes Haar, das trotz seiner siebenundsechzig Jahre noch schön und voll war. Es schien der einzige Teil von ihm zu sein, dem der Alkohol guttat. Dann zog Weasel sein khakifarbenes Arbeitshemd an, nahm den Karton mit Haferflocken unter den Arm und ging hinunter.
Kaum hatte er die sonnige Küche betreten, als sich die Witwe bereits wie ein Geier auf ihn stürzte.
»Sag, würdest du so gut sein und nach dem Frühstück das Treppengeländer einlassen, Weasel? Hast du Zeit?« Sie hielten beide die freundliche Fiktion aufrecht, daß er alle diese Dinge ihr zu Gefallen tat und nicht als Bezahlung für sein Zimmer, das vierzehn Dollar pro Woche kostete.
»Natürlich, Eva.«
»Und der Teppich im Wohnzimmer –«
»Muß gereinigt werden. Ja, ich weiß.«
»Wie geht es heute deinem Kopf?« Die Frage klang kühl und unbeteiligt, aber er spürte das Mitgefühl unter der Oberfläche.
»Kopf ist in Ordnung«, sagte er und stellte Wasser für die Haferflocken auf.
»Du bist gestern spät nach Hause gekommen; darum frage ich.«
»Du spionierst mir nach, nicht wahr?« Er sah sie belustigt an und stellte befriedigt fest, daß sie noch immer wie ein Schulmädchen erröten konnte. Obwohl seit neun Jahren nichts mehr zwischen ihnen vorgefallen war.
»Also Ed -«
Sie war die einzige, die ihn immer noch so nannte. Für alle übrigen war er einfach Weasel. Nun, ihm sollte es recht sein.
»Entschuldige«, brummte er. »Heute bin ich mit dem falschen Fuß aufgestanden.«
»Soviel ich hören konnte, bist du eher aus dem Bett gefallen.«
Weasel grunzte bloß. Er kochte und verzehrte die verhaßten Haferflocken, dann nahm er eine Dose Möbelpolitur und einen Fetzen und verschwand, ohne sich umzudrehen.
Oben ging das Geklopfe auf der Schreibmaschine pausenlos weiter. Vinnie Upshaw, dessen Zimmer gegenüber jenem des Schriftstellers lag, hatte berichtet, daß dieser jeden Morgen um neun Uhr beginne, bis Mittag schreibe, um fünfzehn Uhr wieder anfange, bis achtzehn Uhr schreibe, um einundzwanzig Uhr wieder beginne und erst gegen Mitternacht aufhöre. Weasel konnte sich nicht vorstellen, wie jemandem so viele Wörter einfielen.
Aber Ben schien ein netter Kerl zu sein, und vielleicht würde er bei Gelegenheit ein oder mehrere Glas Bier bei Dell's zahlen.
Weasel hatte gehört, daß Schriftsteller gern und viel tränken.
Methodisch begann er das Geländer zu polieren und dachte wieder an die Witwe. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie aus diesem Haus eine Pension gemacht und damit Erfolg gehabt.
Schließlich arbeitete sie ja auch wie ein Pferd. Aber sie mußte ihren Mann im Bett sehr vermißt haben. Der Schmerz ging vorüber, die Leere blieb. Und wie gern hatte sie es dann getan!
Damals, im Jahr 1962, nannten ihn die Leute noch Ed. Er hatte einen guten Job bei B & M, und eines Nachts im Januar war es geschehen.
Er hielt in der Arbeit inne und sah zu dem schmalen Fenster hinaus. Es war von hellem, töricht goldenem Sommerlicht erfüllt, von einem Licht, das den kalten Herbst und den noch kälteren
Weitere Kostenlose Bücher