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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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rief die Menge »Aaah«. Mark packte Richies Arm und verdrehte ihn hinter dessen Rücken. Richie schrie auf.
    »Sag Onkel«, befahl Mark.
    Richies unflätige Antwort hätte sogar einem Matrosen imponiert.
    Mark riß Richies Arm bis zu den Schulterblättern hoch, und wieder schrie Richie schmerzgepeinigt auf. In ihm tobten Empörung, Angst und Verwunderung. So etwas war ihm noch nie widerfahren. Undenkbar, daß ein ekelhafter schwuler Junge da auf seinem Rücken saß, ihm den Arm verdrehte und ihn angesichts seiner Untertanen vor Schmerz schreien machte.
    »Sag Onkel«, wiederholte Mark.
    Richie gelang es, auf die Knie zu kommen; wie ein Mann, der ohne Sattel reitet, preßte Mark seine Knie in Richies Flanken.
    Beide waren mit Staub bedeckt. Richies Gesicht war gerötet, seine Augen quollen hervor, und auf seiner Wange zeigte sich eine Kratzwunde.
    Er versuchte vergeblich, Mark über die Schulter zu werfen, und Mark riß wieder Richies Arm hoch. Diesmal schrie Richie nicht. Er wimmerte.
    »Sag Onkel, oder ich brech' dir den Arm.«
    Richie begann zu schluchzen und warf seine Schultern von einer Seite auf die andere. Doch dieser widerliche Scheißkerl war nicht abzuschütteln. Richies Unterarm wurde eisig, die Schulter dagegen brannte wie Feuer.
    »Herunter mit dir, du Hurensohn! Du kämpfst unfair!«
    »Sag Onkel.«
    »Nein!«
    Richie verlor das Gleichgewicht und fiel mit dem Gesicht in den Staub. Der Schmerz in seinem Arm war lähmend. Schmutz geriet ihm in den Mund. Schmutz geriet ihm in die Augen. Er hatte vergessen, daß er jemals groß gewesen war. Er hatte vergessen, daß der Boden unter seinen Schritten zu erzittern pflegte. Er hatte vergessen, daß er demnächst Camel rauchen würde.
    »Onkel! Onkel! Onkel!« schrie Richie. Er hatte das Gefühl, stundenlang »Onkel« schreien zu können, wenn er nur seinen Arm frei bekäme.
    »Sag: Ich bin ein Arschloch.«
    »Ich bin ein Arschloch«, schrie Richie in den Staub hinab.
    Mark Petrie ließ ihn frei und trat zurück.
    Richie stand auf. Er sah sich um. Niemand blickte ihm in die Augen. Alle wandten sich ab, irgendeiner Tätigkeit zu, die sie vorhin unterbrochen hatten. Richie war allein und konnte es kaum fassen, wie rasch ihn der Ruin ereilt hatte.
    Ein Mädchen lachte - ein hohes, spöttisches Lachen, das mit grausamer Klarheit in der Morgenluft hing.
    Richie sah nicht einmal auf, um festzustellen, wer es war, der ihn da auslachte.

    11 Uhr 15.
    Dud Rogers konnte in der Ferne das leise Rattern von Mike Ryersons Rasenmäher hören. Aber dieses Geräusch würde bald von dem Knistern der Flammen ausgelöscht werden.
    Dud bekleidete seit 1956 den Posten eines Müllabfuhrwartes, und bei den jährlich stattfindenden Gemeinderatsversammlungen wurde er jedesmal einstimmig wieder für diesen Posten gewählt.
    Dud hatte einen Buckel und einen merkwürdig schiefen Kopf, so daß er aussah, als hätte Gott ihm eine letzte ungeduldige Drehung verpaßt, bevor er ihn in die Welt hinausließ.
    Seine Arme - er hatte richtige Affenarme, die beinahe bis zu seinen Knien reichten - waren erstaunlich stark. Es waren vier Männer notwendig gewesen, um den Boden der alten Eisenwarenhandlung in den Lastwagen einzuladen, und die Reifen des Lastwagens hatten sich merklich gesenkt. Aber herausgehoben hatte ihn Dud Rogers, mit herausquellenden Venen auf Stirn und Hals, ganz allein.
    Dud liebte den Müll. Er liebte es, die Kinder zu verjagen, die hierherkamen, um Flaschen zu zerschlagen, und er liebte es, die Müllabfuhrwagen dorthin zu dirigieren, wo der Müll gerade abgeladen werden sollte. Er liebte es auch, den Müll zu durchsuchen, ein Privileg, das ihm als Aufseher zukam. Vermutlich verspotteten ihn die Leute, wenn er sich mit seinen hohen Stiefeln und den Lederhandschuhen durch die Berge von Abfall kämpfte, eine Pistole im Halfter, einen Sack über der Schulter und das Taschenmesser in der Hand. Die Leute sollten ruhig spotten. Es machte ihm nichts aus. Immer wieder fand er Kupferdrähte, manchmal ganze Motoren mit intakten Kupfergehäusen, und für Kupfer zahlte man in Portland einen guten Preis.
    Es gab auch alte Schreibtische, Sofas und Stühle, die man herrichten und dem Antiquitätenhändler an der Überlandstraße verkaufen konnte. Dud übervorteilte die Händler, und die Händler übervorteilten die Touristen. So drehte sich die Welt im Kreis, und das war gut so.
    Ja, der Müll war eine feine Sache. Der Müll war Disneyland und Shangri La in einem.
    Aber das Beste daran war das

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